November - Atem (T)
November 12th, 2018Ein trüber Schleier
Ist die Luft, mit Feuchtigkeit
Gefüllt wie ein Schwamm,
Daraus Menschen wie Schemen stumm
Auftauchen und verschwinden.
Ein trüber Schleier
Ist die Luft, mit Feuchtigkeit
Gefüllt wie ein Schwamm,
Daraus Menschen wie Schemen stumm
Auftauchen und verschwinden.
Helles Blau leuchtet
Zwischen den dunklen Wolken.
Das kahle Gezweig
Ist voller Krähen. Morgen,
Heißt es, fällt der erste Schnee.
Roh zerrt Wind an nackten Bäumen,
Nebel lauern auf Asphalt.
Hinter glatten Häusersteinen
Wuchert ziellos die Gewalt.
Sonne will nicht länger scheinen,
Und die Luft schmeckt bitter kalt.
Und die Wochen trägt kein Lachen,
Mürrisch jedes Menschgesicht.
Dunkelheit schon beim Erwachen
Ist ein tieferes Gewicht.
Abgedämpft, was Hände machen
Im Gefängnis unsrer Pflicht.
In den stillen Parkanlagen
Sucht manch einer noch das Glück.
Doch er findet dort nur Fragen
Und der Krähen höhnisch Blick.
Hin zu seinen frühen Tagen
Sehnt ein Kranker sich zurück.
Jahre purzeln über Stiegen,
Und auf Krücken wankt die Scham,
Stolpert, bleibt am Rinnstein liegen,
Während jemand ganz infam
Neben ihr mit Engelszügen
Bettelt für den Vatikan.
Gehn zum Friedhof morsche Frauen,
Bange Lippen murmeln: Wer
Wird wohl unsre Gräber bauen?
Tisch und Gläser gähnen leer.
Morgens fließt ins Land ein Grauen.
Morgen hofft nicht einer mehr.
Der Morgen hat Gastritis und Migräne
Die Hände zittern heftig wie im Fieber
Die Zunge schlingert und das Maul läuft über
Am Spiegel Eiter manchmal eine Träne
Das Säuerliche bleibt in Nasen kleben
Vorm Fenster sammeln sich die geilen Blicke
Die Wände filtern Häme Neid und Tücke
Am Bildschirm läuft non stop das andre Leben
In Ehebetten paart sich Suff mit Speck
Im Keller schaukeln Nachbarn an Krawatten
Aus tauben Rohren quellen tote Ratten
Im Schädel staut sich der Gedankendreck
Vorm Haustor findet Hundestuhlgang statt
Und Tag um Tag die ewig gleiche Leier
Und Nacht für Nacht der Traum vom großen Feuer
Wer hierher zieht war vorher schon schachmatt
Hart prasselt Regen auf die blinden Hausfassaden,
Auf hohle Köpfe unter Baseballmützen.
Durch enge Gassen drängeln Menschen, fett wie Maden
Im faulen Fleisch, durch Hundekot, die Leiber schwitzen
Und frieren, kalter Wind fährt durchs Gewand,
Und Angst kommt an die Oberfläche von tief drinnen;
Wohin du schaust, es zittert jede Hand,
Und in den Ecken der Gedanken nisten Spinnen.
Der Sommer hat sich fortgeschlichen wie ein Dieb,
Mit ihm die Farben, bleich und grau ist rings die Welt,
Und auch die Sinne stumpfen ab und werden trüb,
Indes sich morgens schon der Frust zu Frust gesellt.
Das Klima hängt so wie der Boxer in den Seilen,
Und Jahreszeiten gibt es nur noch auf Papier,
Pardon, am Bildschirm, ja, es ist zum Heulen,
Der Fortschritt geht von einer durch die nächste falsche Tür.
Und wir, wir laufen wie die Narren hinterher,
Den Rattenfängern nach und nie zurück,
So läuft das Leben und es läuft sich immer leer.
So stirbt der Mensch in Raten Stück für Stück.
Das Licht der Sonne
Verfängt sich in den Wolken
Wenn Igel und Dachs
Für den tiefen Schlaf sammeln
Und aus dem Osten Krähen
In dunklen Zügen kommen
Kalter Wind streift durchs
Dunkel im Laternenlicht
Tanzt braunes Laub wild
Überm Gehsteig das Klopfen
Fremder Schuhe ein Schrei ritzt
Das Antlitz der Nacht Schweigen
Ich träumte heut Nacht
Vom Feuer der herbstlichen
Wälder wir saßen
Im fallenden Laub
Der Platanen und küßten
Die Lippen der Zeit
Ein Tor tut sich auf
In den schlafenden Wellen
Des Meeres tanzen
Wir mit Delphinen
Walzer im sanften Rhythmus
Nächtlicher Stille
Während die Augen
Des vollen Mondes Licht in
Den Atem träufeln
* für Gerda
Was kann der arme Herbst dafür,
Daß Dichter ihn zum Kranken machen,
Zu einem Schwermut-Kitsch-Geschwür,
Tief traurig sein und solche Sachen.
Da hilft nur eins: Macht auf die Tür
Und laßt herein ein helles Lachen.
In dieser immer gleichen Art
Seh ich sie seit der Steinzeit schreiben,
Als gäb´es keine Gegenwart,
An der die Dichter solln sich reiben.
Doch leider bleibt uns nicht erspart
Ihr Oberflächen-Trübsal-Treiben.
Der Morgen hat sein Antlitz leuchtend blau geschminkt,
Als hätt der Sommer irgendwo noch ein Atout.
Ich schau zum Fenster raus, seh einen Hund, der hinkt,
Und weiß der Herbst hat morgen schon sein Rendevous.