Archive for Januar, 2020

Priesterseminar

Mittwoch, Januar 22nd, 2020

Der Zögling muß des Bischofs Murmeln lecken,
Den Runzelsack bedienen wie die Glocken
Im Kirchturm, bis die ersten feuchten Flocken
Blaß schäumen aus dem aufrecht steifen Stecken.

Des Knaben Lohn hierfür sind reife Pflaumen,
Die ihm sein Lehrer in das Kotloch schiebt,
Samt dürrer Finger, ruhig und geübt.
Hernach schürft er die braune Schicht vom Daumen.

Das Loch wächst lang mal breit und Jahr für Jahr,
Wo es gar häufig auch die Brüder stopfen.
Als er- nun Schwamm- verläßt das Seminar,

Reicht ihm der Bischof einmal noch den Finger.
Der Abschiedskuß auf den geliebten Dünger,
Läßt ihm das Herz im Brustkorb stürmisch klopfen.

Ein tiefes Blau *

Montag, Januar 13th, 2020

Irgendetwas Großes ist mit mir geschehen.
Nichts ist heute so, wie es noch gestern war.
Während sich die schwarzen Schrauben weiter drehen
In des Daseins Schläfen, wird um den Bazar
Eng gespannt und schnell ein Stacheldrahtverhau.

Doch ich fühle mich fast wie ein neues Wesen,
Und mich kümmert weder Stau noch Kreisverkehr;
Spüre, wie sich feste Knoten einfach lösen,
Und Gedanken fließen, fließen bis ins Meer,
Wo sich End und Anfang paarn in tiefem Blau.

* für Gerda

Ende und Anfang

Montag, Januar 6th, 2020

Ich weiß nicht, doch es sind schon mehr als dreißig Tage,
Da ich durchs Leben taumle, meistens voll bezecht,
Doch nicht, weil manche sagen, es ist ungerecht,
Daß Menschen andre Menschen auf den Händen tragen.

Ich klettere bis auf den Wipfel einer Tanne
Und sehe ringsum, wie die Bäume nordwärts fliehen,
Indes aus Wolken über mir die Blitze blühen.
Doch meine Löwin ist so fern. In der Savanne

Hat sie sich einen anderen im Nu gefunden.
Gemeinsam mit ihm schwimmt sie durch den blauen Nil,
Um zu verschmelzen dann im wilden Katzenspiel.

Ich hör das Echo. Und im Schatten kalter Stunden
Verblassen all die Worte, Bilder. Doch was bleibt,
Ist etwas Neues, das jetzt die Geschichte schreibt.

Der dunkle Kontinent *

Mittwoch, Januar 1st, 2020

Ich hab mich verirrt
Im Dickicht meiner
Gedanken streifen
Hyänen oder
Uralte Zedern
Träumen vom Tod
In lehmigen Stiefeln
Gibbons hängen
An langen Schwänzen
Vom Astwerk des Mondes
Auch viel anderes
Getier haust in der
Wildnis der weiten
Zwischen den Schläfen
Atmen die Winde
Den Dünkel der Zeit
Und Pilze wuchern
Bis zum Horizont
Dehnt sich das Blau
Ein umgestülptes Meer
Auf Stelzen aus Stein

*Neufassung(EV 22.5.2010)