Ein tiefes Blau *

Januar 13th, 2020

Irgendetwas Großes ist mit mir geschehen.
Nichts ist heute so, wie es noch gestern war.
Während sich die schwarzen Schrauben weiter drehen
In des Daseins Schläfen, wird um den Bazar
Eng gespannt und schnell ein Stacheldrahtverhau.

Doch ich fühle mich fast wie ein neues Wesen,
Und mich kümmert weder Stau noch Kreisverkehr;
Spüre, wie sich feste Knoten einfach lösen,
Und Gedanken fließen, fließen bis ins Meer,
Wo sich End und Anfang paarn in tiefem Blau.

* für Gerda

Ende und Anfang

Januar 6th, 2020

Ich weiß nicht, doch es sind schon mehr als dreißig Tage,
Da ich durchs Leben taumle, meistens voll bezecht,
Doch nicht, weil manche sagen, es ist ungerecht,
Daß Menschen andre Menschen auf den Händen tragen.

Ich klettere bis auf den Wipfel einer Tanne
Und sehe ringsum, wie die Bäume nordwärts fliehen,
Indes aus Wolken über mir die Blitze blühen.
Doch meine Löwin ist so fern. In der Savanne

Hat sie sich einen anderen im Nu gefunden.
Gemeinsam mit ihm schwimmt sie durch den blauen Nil,
Um zu verschmelzen dann im wilden Katzenspiel.

Ich hör das Echo. Und im Schatten kalter Stunden
Verblassen all die Worte, Bilder. Doch was bleibt,
Ist etwas Neues, das jetzt die Geschichte schreibt.

Der dunkle Kontinent *

Januar 1st, 2020

Ich hab mich verirrt
Im Dickicht meiner
Gedanken streifen
Hyänen oder
Uralte Zedern
Träumen vom Tod
In lehmigen Stiefeln
Gibbons hängen
An langen Schwänzen
Vom Astwerk des Mondes
Auch viel anderes
Getier haust in der
Wildnis der weiten
Zwischen den Schläfen
Atmen die Winde
Den Dünkel der Zeit
Und Pilze wuchern
Bis zum Horizont
Dehnt sich das Blau
Ein umgestülptes Meer
Auf Stelzen aus Stein

*Neufassung(EV 22.5.2010)

Alaska (Ts)

Dezember 22nd, 2019

Komm, laß uns heute nach Alaska fliegen,
Eisschollen auf dem Yukon-River zählen,
Die Haut der Stunden bis zum Knochen schälen
Und aus dem Mark ein kleines Häuschen biegen,

Das Traubenblau des Himmels von den Stiegen,
Die sich in höchste Lüfte winden, pflücken,
Durch kleine Löcher ins Nirwana blicken,
Wo nichts zu Ende geht in langen Zügen.

Dort wollen wir die Dämmerung besteigen
Und unsre Köpfe in das Dunkel neigen,
Schnell einen Tunnel graben bis ins Herz

Der Finsternis, ein Kuss dem Feuerdrachen,
Auf einer alten Harley durch den Rachen
Der Trägheit röhren, immer heimatwärts.

Die Nacht

Dezember 15th, 2019

Städte, Länder, fremde Leute
Kreuzte ich in einem Jahr.
Aber nichtig scheint es heute,
So, als ob´s ein Traum nur war.

So, als wär das ganze Leben
Bloß ein Film, der zu schnell läuft,
Zwischen Zäunen, hinter Stäben,
Auf der Rolle, die schrill schleift.

Bald schon ist das Jahr zu Ende.
Und was bleibt? Ich weiß es nicht.
Morgens rot beschmierte Wände?
Eine Lampe, die zerbricht?

Kalt ist mir in solchen Stunden,
In des Winters weißer Pracht.
Doch mein Herz will nicht gesunden,
Will die dunkeltiefe Nacht.

Kalte Tage

Dezember 9th, 2019

Die Kälte hat uns (Männer) an den Eiern,
Und Nacht für Nacht wird fester schon ihr Griff.
Der Winter will - so scheint´s - mal richtig feiern.
Ich hoff´, ich find ein Flugzeug rasch, ein Schiff,
Mit Kurs nach Süden, in die Wärme,
Denn hier ist es mir jetzt schon viel zu kalt.
Und zeigen sich in dieser Nacht die Sterne,
So bin ich reif für eine Heizanstalt,
Falls ich nicht winke dann schon aus der Ferne,
Von meinem neuen Inselaufenthalt.

Dezembertage *

Dezember 1st, 2019

Durch hohe Häuserschluchten stürzt der Wind
Und läßt die nun entblößten Bäume frieren.
Die Nacht ist einsam. Hinter dicken Türen
Verkriechen Menschen sich, die ängstlich sind.

Die Welt ist grau verfärbt, das Leben blind.
Gedanken kreisen um das Existieren.
Durch hohe Häuserschluchten stürzt der Wind
Und läßt die nun entblößten Bäume frieren.

Dezemberzeit. Die Tage gehn geschwind
Zur Neige. Nebel dämpft den Schritt von Tieren.
Der Himmel ist verhängt mit weißen Schnüren,
Indes das Fremde in dir Raum gewinnt.
Durch hohe Häuserschluchten stürzt der Wind
Und läßt die nun entblößten Bäume frieren.

* für Gerda

Verwunschen (T)

November 24th, 2019

Das verfallene
Haus am Waldrand beherbergt
Gespenster wie mich.
Vom Efeu überwachsen
Und kalt wie Stein verweil ich
Reglos im Wüten der Zeit.

Elefantentod

November 20th, 2019

Im Hals würgt scharf der Schmerz und steigt und schrillt.
Im Blick Entsetzen, lacht der nahe Tod.
Sekunde hält das Leben - nichts als Not.
Das Herz pocht schwer. Aus tausend Wunden quillt

Das Blut in Bächen, wallt der rote Fluß
Aus dem zerfetzten Leib. Das Menschenjoch
Zu lang getragen - sterbend steht er noch,
Und rundum feuern Mörder Schuß auf Schuß.

Er hebt das Haupt. Ein grausig letzter Schrei
Schwappt aus dem Loch, das einmal war ein Mund.
Er fällt ganz langsam. Immer fort trifft Blei

Wie Hagelschlag auf Schmetterlinge und
Durchbohrt ihn auf dem weiten Weg zum Grund.
Jetzt liegt er still. Das Auge bricht entzwei.

PS: aus d. Vorzeit d. versfabrik.at;

Anmerkung: Das Sonett bezieht sich auf die Erschießung eines Zirkuselefanten auf Hawaii am 21.8.94

Südwärts (S)

November 10th, 2019

Mir ist so kalt. Ich flieg auf die Azoren.
Dort bade ich tagtäglich im Vulkan,
Flieg auf das Meer hinaus im Segelkahn
Und geb dem müden Traumgestüt die Sporen.

Ich hause da in einem alten Schuppen
Mit Hunden, Katzen und zwei weißen Eulen,
Mit Winden, die durch enge Ritzen heulen,
Wir, wurzellos, bemalt die Fingerkuppen,

Ziehn nachts zum Strand, entfachen unser Feuer.
Von Hand zu Mund zu Hand wächst Jo auf Jo.
Schon öffnen sich die knöchernen Gemäuer

Um die Gedanken, buntes Rokoko
Auf Flammenzungen, platzt aus harten Nähten
Die Zeit. Im nahen Dickicht funkeln Kröten.