Der Extremist
Dezember 8th, 2008Ich bin ein Extremist
Und gehe nie aufs Klo,
Hab alles vollgepißt,
Von hier bis nirgendwo.
Ich bin ein Extremist
Und gehe nie aufs Klo,
Hab alles vollgepißt,
Von hier bis nirgendwo.
In letzter Zeit hat die versfabrik.at Prosatexte leider etwas vernachlässigt, was einzig einem Mangel an Zeit geschuldet war, und im kommenden Jahr, das ja sehr bald schon das gegenwärtige in der Vergangenheit versenkt, in vollem Ausmaß nachgeholt wird. Dann gibt es neben den Gedichten sowohl regelmäßig Kommentare zum Zeitgeschehen aber auch fiktionale Prosatexte wie Erzählungen, eine Geschichte in Fortsetzungen, Aphorismen, satirische Texte u.a.m. in der versfabrik.at zu finden. Der geneigte Besucher dieser Seite möge bitte bedenken, daß die versfabrik noch sehr jung ist, daß dem Betreiber bis vor einem halben Jahr die virtuelle Welt des WWW völlig fremd gewesen ist, und daß die schwierigste Phase meistens die Startphase ist, nicht nur im Web, sondern in vielen Bereichen unseres Daseins.
Das alte Jahr keucht trotz finaler Krücken,
Derweil das neue macht sich schon bereit,
Betrunken und im lärmgewebten Kleid,
Und die Gedanken schwirren rum wie Mücken.
Im Traumgebirge reißen Hängebrücken
Und stürzen tief hinab zum Grund der Zeit.
Das alte Jahr keucht trotz finaler Krücken,
Derweil das neue macht sich schon bereit.
Doch will ich gar nicht in die Zukunft blicken,
Ist doch das Übel der Vergangenheit
So groß, daß es nach schnellem Wandel schreit,
Der niemals kommt, solang noch Uhren ticken.
Das alte Jahr keucht trotz finaler Krücken,
Derweil das neue macht sich schon bereit.
* für Gerda
Es klopft mit Fäusten wer an meine Tür
Und reißt mich aus den Träumen mit Gewalt.
Das Ziffernblatt der Uhr grinst blöd und kalt.
Von irgendwo tönt leise ein Klavier.
Ist es ein Menschenwesen, ein Vampir,
Die Obrigkeit in häßlicher Gestalt?
Es klopft mit Fäusten wer an meine Tür
Und reißt mich aus den Träumen mit Gewalt.
Warum will wer auch immer jetzt zu mir?
Schon öffnet sich die Tür. Ein kleiner Spalt
Erzeugt die Angst, die ins Gedärm sich krallt
Und die Gedanken quetscht wie ein Geschwür.
Es klopft mit Fäusten wer an meine Tür
Und reißt mich aus den Träumen mit Gewalt.
* für Gerda
Du bist wie Morgentau im Sonnenlicht,
Ein Schmetterling, der über Blumen fliegt,
Ein Traum, der sanft sich ins Gedächtnis schmiegt,
Du bist mein einzig wirkliches Gedicht.
Im Blätterkleid verborgen vorm Gesicht
Der Menschenwelt, die sich in Krämpfen biegt,
Bist du wie Morgentau im Sonnenlicht,
Ein Schmetterling, der über Blumen fliegt.
Und Wind baut eine Schaukel dem Gewicht
Der Hoffnung, die sich in die deine fügt,
Und so vereint das Seelendunkel pflügt
Und fortweht auch der Dämmerung Gezücht.
Du bist wie Morgentau im Sonnenlicht,
Ein Schmetterling, der über Blumen fliegt.
*für Gerda
Die Welt geht aus dem Leim.
Wen kümmert´s, wenn wir vor der Glotze sitzen
Und sicher fühln uns noch daheim,
Gestärkt von mega-dummen Witzen,
Die aus uns quellen, zäh wie Schleim.
Die Welt geht aus dem Leim,
Und wir schaun hirnlos dabei zu
Und köpfen eine Flasche Wein:
Gemütlichkeit bedarf der Ruh.
Die Welt geht aus dem Leim.
Was hilft da eine Korrektur.
Als Klebstoff taugt hier auch kein Reim.
Kloaken heißen wir Kultur,
Und sind wie immer stumpf und stur.
Die Welt geht aus dem Leim,
Die Menschheit geht zu Grunde,
Vor Geilheit und mit Sex und Crime,
So winseln wir wie Hunde,
Wenn endlich schlägt die Stunde.
Sie schlägt schon bald.
Vom Kreischen des Weckers aus Schlaf und Traum
Gerissen, ringsum nur das trübe Dämmern
Des Morgens. Schutzlos im schutzlosen Raum,
Indes vom Tag, der kommt, die Schläfen hämmern.
Mein Blick fällt auf das Ziffernblatt: Es ziehen
Blind kreisend die Zeiger zum Karneval.
Da möchte ich aus meinem Körper fliehen,
Und ohne Aufschub, schnell und radikal.
Nur fort aus diesem Raum, aus dieser Zeit,
Aus diesem Dasein ohne Weg und Ziel,
Wo die Erkenntnis bringt nur Bitterkeit,
Wo alles derb und dumm ist und skurril.
Doch schaue ich im Bad dann in den Spiegel,
Dann wird mir mein Gesicht entsetzlich fremd.
Und zitternd knüpfe ich am Hals die Zügel,
Indes die Zukunft bis zum Himmel brennt.
Alle rennen wie verrückt,
Um im Netz zu leben,
Und sie fühln sich voll beglückt,
Wenn sie dort fest kleben.
Die Zeit, sie läuft vor uns daher,
Und wir, wir wollen mit.
Doch jene, die da wolln nicht mehr,
Die kriegen einen Tritt
Von hinten in den Arsch verpaßt.
Als ich vor ein paar Monaten eine Exkursion im Netz machte, Anfänger der ich war, um die Orte der Poesie aufzusuchen, da fand ich mancherlei, das meiste von schlichten Gemütern, verfaßt für noch schlichtere Gemüter. Aber ich muß leider gestehen, ich fand nichts, das den Namen “Zeitgenössisches Gedicht” auch wirklich verdiente. Gut, dachte ich, die Oberfläche des WWW ist nahezu unendlich groß, Platz genug also für den ganzen Müll, an dem der Planet schon halb erstickt ist und bald ganz zu ersticken droht.
Als ich nun vor ein paar Wochen eine Exkursion ins Netz machte, um neuerlich die Orte der Poesie aufzusuchen und wenn möglich, auch zu finden, dieses Mal ein bißchen weniger Anfänger, da fand ich vielerlei. Und je mehr ich schaute, umso mehr sah ich, aber was ich sah, war genauso unbefriedigend wie bei meiner ersten Exkursion; weder Brüder noch Schwestern im Geiste der Poesie traf ich an, sondern eine verbale wie virtuelle Masse raubte mir den Atem und das Vergnügen. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: All den lieben Leuten, die da Gedichte schreiben und ins Netz stellen, sei eines gesagt: Gut gemacht und Weitermachen. Aber diese Texte sind keine zeitgemäße Lyrik, die gegenwärtig auch in keinen Büchern zu lesen ist, sondern Tagebucheintragungen in Vers und Strophe.
Sagt mir jetzt nicht, dies sei die Essenz von Web 2, daß jeder den eigenen Beistrich in der Unterhose nicht nur fabriziert, sondern ihn auch gleich dazu im Netz publiziert, soviel habe ich nämlich auch schon begriffen, nur interessiert es mich einen feuchten Dreck, denn das Öffentlichmachen der eigenen Nichtigkeit macht diese noch lange nicht zur Wichtigkeit, auch wenn die virtuelle Illusion lebt, daß dem so sei. Die versfabrik.at produziert zeitgenössische Gedichte, für Freunde echter Lyrik. Wie heißt es so schön: Jedem das Seine und allen das Nichts.
Und wieder einmal muß das Jahr verenden
Und wird im Schneegestöber neu geboren.
Wer in die Stube tritt, hat heiße Ohren.
Wer sie verläßt, trägt Schuhe an den Händen.
Mit roten Lettern steht auf schwarzen Wänden
Die Zahl, davor ein Mann fast steifgefroren.
Und wieder einmal muß das Jahr verenden
Und wird im Schneegestöber neu geboren.
Zur Weihnachtszeit, wenn Engel Botschaft senden,
Die lang durch Nacht und Nebel irrt verloren
Und hilflos wankt vor den versperrten Toren,
Dahinter Menschen sich zum Essen wenden.
Und wieder einmal muß das Jahr verenden
Und wird im Schneegestöber neu geboren.
* für Gerda
Der Regen prasselt auf die Fensterscheiben,
Verwandelt Straßen rasch in braune Flüsse.
Im Stiegenhaus riecht es nach Katzenpisse,
Im Keller will sich wer mit Strick entleiben.
Die Schwermut hält mich fest in ihren Klauen
Und drückt mich langsam auf den Boden nieder.
Was ich auch sehe, ist mir so zuwider,
Und in der Dunkelheit kommt dann das Grauen:
Vor dir, vor mir, vor gestern, morgen, heute,
Wenn schlaflos ich zur Decke starre und
Die Panik kennt nicht Horizont noch Grund,
Bis endlich Träume holen mich als Beute.
Wie eine Lerchenfeder im Orkan,
Verweht ins endlos weite Nirgendwo.
Dort steigt aus seinem Grab der Pharao
Und spendet toten Beifall meinem Wahn.