Archive for the ‘02 Verse’ Category

Dichterdasein (T)

Montag, Juni 12th, 2017

Ein Seil aus Worten
Geknüpft über den Abgrund
Ein flüchtiger Halt
Für die Hände die Füße
Im reißenden Strom der Zeit

Sackgassen (FG)

Mittwoch, Juni 7th, 2017

Die Räder rollen und die Zeiger rasen
Auf Steinkolonnen höhnen Schmutzfassaden
Die Großstadtlippen speicheln Lärmkaskaden
Der Großstadtafter furzt frech Metastasen

Der Tank vibriert aus Poren tropft Benzin
Der Stirnfasan brennt im Kausalverkehr
Bei Rotlicht blasen Huren voll und leer
Leitschienen spreizen sich so maskulin

Der schöne Mensch grinst bissig von Plakaten
Aufs Pflaster tapeziern Karossen Tauben
Am Trottoir drehn Obdachlose Schrauben
Sackgassen stopfen Bürger aus in Raten

Der Staub liebt Biotope aus Beton
Das Tempo steigt vor Blut und Blechkulissen
Wo Hunde zischelnd auf Prothesen pissen
Auf Ich-Frequenz pauschal im Infozon

Blütenkranz (T)*

Dienstag, Mai 30th, 2017

Kirschblüten treiben
In milder Luft kränzen dein
Blond fließendes Haar
Tanzen will ich mit dir jetzt
Und hier unter den Bäumen
Zum Lied der Amsel
Will vergessen was gestern
war und morgen kommen wird

* für Gerda

Des Frühlings voller Atem

Donnerstag, Mai 18th, 2017

Die Sonne grinst, als würd wer ihre Titten
Mit Senf bestreichen, ja, die Welt ist rund.
Ein Knabe kommt die Straße lang geritten
Mit Blasen voller Wörter um den Mund.

Ein Wind von Süden spreizt jetzt das Gefieder,
Trägt Pollen, dass aus dicken Nasen Rotz
In Bächen fließt. Wir knieen alle nieder
Und jodeln steil. Der Mensch ist ja kein Klotz.

Der Frühling grünt, die Hodensäcke schwellen
Bei Männchen, und die Weibchen duften heftig.
Am Himmel tummelt sich ein Schwarm Forellen.
Ich spucke aus. Ich fühle mich echt kräftig.

Frühlingstanka (T)

Donnerstag, Mai 4th, 2017

Die Birke vorm Haus
Beginnt sich grün zu kleiden
Wir hängen Mantel
Und Schal zu den Motten und
Hören nicht auf zu niesen

Der Dom zu St. Stephan (FG)

Sonntag, April 23rd, 2017

Das Turmkreuz tätowiert die Wolkenbäuche
Ein Stützkorsett verlängert den Zerfall
Das Kerzenlicht verklärt den trüben Stall
Aus greisen Mauern bröckeln Knecht und Seuche

Der Hirte hebt den Kelch und gurgelt Wein
Ein heilig Geist schmiert Salben auf die Worte
Ein Hosenschlitz ist keine Himmelspforte
Im Keller schimmelt grünlich viel Gebein

Hosanna brüllt voll Brunst der Jubelchor
Indes die Ratten aus dem Beichtstuhl flüchten
Auf Schlachtung will kein Opferlamm verzichten
Gebeugte Bettler grasen zahm am Tor

Das Räucherblech folgt Zuchtmonstranzen
Auf Steinen kriecht die Schamprozession
Wo Hunde häufeln schicken Tauben Hohn
Im Leichenpark gilt´s Nachschub einzupflanzen

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at

Aufbruch (T)

Dienstag, April 18th, 2017

Auf einem Kamel
Über die Wolkenberge
Reiten bis zu den
Offenen Türen der Stadt,
Wo alle Menschen wachsen
Und blühen im Sternenlicht.

Gestern war noch April (T) *

Samstag, April 8th, 2017

Löwenzahnblätter
Wie Drachenleiber im Wind
Treiben die Pollen
Zwischen Wolken und Wurzeln
Haltlos im Herzschlag der Zeit

* für Gerda

Frühlingskonzert *

Dienstag, März 28th, 2017

Schwester, schicke Aug und Ohren
Schnell zum Fenster raus auf Reisen,
Wo die Winde sich umfloren
Mit Gesang von Amseln, Meisen.

Schwester, horchen wir die Lieder,
Stimmen, rein wie Bergkristall,
Taubenchor klatscht das Gefieder
Und jetzt kommt mit hellem Schall

König Drossel aus den Büschen,
Die vom jungen Grün berauscht,
Sperlinge durchs Blattwerk zischen,
Das den Mantel frisch vertauscht,

Wie seit längst vergangnen Zeiten.
Blechern krächzen Saxophone,
Krähen durch die Wolken gleiten
Richtung Sterne, ihrer Krone.

Tempo, tempo und ein forte
Trommelt rhythmisch rein der Specht
Mit dem Schnabel. Keine Worte
Werden solch Musik gerecht.

Plötzlich ein Moment der Stille
Dämmerung im Schweigetakt,
Bis mit Satchmos Atemfülle
Amsel die Trompete packt.

Wundervoll klingt unser Meister,
Bläst er punktgenau Attacken,
Daß sogar der Toten Geister
Freundlich mit den Knöcheln knacken.

Langsam schließen sich die Schwingen,
Bruder Schlaf besucht den Baum.
Schwester, laß uns weitersingen,
Amsel, Meise sein im Traum.

*für Gerda

aus der Vorzeit der Versfabrik

Birke im Frühling *

Dienstag, März 21st, 2017

Vorbei die Leere
Im Blick der Leute
Vor einer Woche
Waren die Äste
Der Birke noch kahl
Im Nordwind heute
Lächelt die Sonne
Dem sprießenden Gras
Das trunken vom Tau
Den Morgen ersehnt
Von Süden weht Föhn
Steigt über Berge
Vom Frühling berauscht
Der Wärme und Duft
Von Blüten sind wir
Doch alle im Traum
Wär ich gern eine
Birke mit Wurzeln
Greifend ins Tiefe
Und Händen fassend
Den Saum des Himmels

NF * für Gerda