Archive for Mai, 2009

Distichon 2

Samstag, Mai 16th, 2009

Kennt ihr die Wesen im Netz, die uns Würmern die Welt dort erklären:
Göttern gleich fliegen sie auf, schweben ins Licht, bis es schnalzt.

Distichon

Samstag, Mai 16th, 2009

Menschen wie wir sind die letzten, die Verse noch schreiben und lesen.
Wisset, was folgt, das wird schlimm, schlimmer als alles, was ist.

Wir Narren

Freitag, Mai 15th, 2009

Wir sind doch nur die Narren dieser Zeit,
Ein Spielball jener, die uns kalt verachten.
Und alles kam ganz anders, als wir dachten.
So nah scheint ein Gedanke und so weit.

Wir sind nicht Gäste sondern Parasiten
Auf dieser Welt, die eng geworden ist,
Zu eng für den von uns erzeugten Mist.
Den Tropfen folgen so die Stalagtiten.

Wir sind so träg geworden. Ohne Kraft
Sehn wir am Bildschirm das fatale Treiben,
In eitler Hoffnung, alles möge bleiben
So fremdgelenkt in unsrer Körper-Haft.

Doch tief in mir ist irgendwas, das schreit:
Wir haben uns umsonst verkauft. Bestochen
Aus Feigheit, kommen wir daher gekrochen
Als Narren, die wir sind, in dieser Zeit.

Die “Krise” und ihre Beseitigung

Donnerstag, Mai 14th, 2009

Es ist in der Tat überaus deprimierend, zusehen zu müssen, was gegenwärtig im Zusammenhang mit der globalen Wirtschaftskrise geschieht, die medial zur Krise zurechtgestutzt wurde, als wäre es irgendeine, allgemeine Krise.
Nachdem ein Raubkapitalismus, bar aller Schranken, in grenzenloser Gier und Größenwahn sich selbst gegen die Wand und die globale Wirtschaft an den Rand der Katastrophe gefahren hat, hätte sich die historisch einmalige Chance aufgetan, sich von diesem pervertierten, letztendlich sich selbst und alles rundum zerstörenden System zu verabschieden, damit dieser Planet auch noch für zukünftige Generationen lebenswert bleibt. Doch was geschieht?
In noch nie dagewesener Einmütigkeit beschließen die volkswirtschaftlich relevanten Nationalstaaten und Staatenbünde in ungewohnter Schnelligkeit, das “Finanzsystem”, sprich “die Banken”, die zuvor über Jahrzehnte ihre Aktionäre mit Rekordgewinnen verwöhnten, zu “retten”, d.h. den auf dem Bauch liegenden Raffzahnkapitalismus mit Summen, die jedes Vorstellungsvermögen übersteigen, wieder auf die Beine zu stellen, damit der Kreislauf von neuem beginnen möge. Das Geld stammt von den Steuerzahlern, d.h. alle und deren Folgegenerationen müssen dafür bezahlen, daß ein System restauriert wird, durch das nur eine verschwindend kleine Menge Privilegierter profitiert, der großen Mehrheit zum Nachteil, ebenso dem Planeten, dessen Resourcen auf Teufel komm raus ausgebeutet werden.
Doch halt, höre ich jetzt schon den Einwand, in Zukunft wird es ja Kontrolleinrichtungen geben, die den Markt zügeln und lenken. Aber was bedeutet das konkret? Es bedeutet, daß die jetzt schon überbordende Bürokratie der Staaten weiter aufgebläht wird und in einer Dekade oder zwei, wenn eine neue Generation am Ruder ist, heißt es dann wieder, es gibt zu viele Beschränkungen für den Markt, er kann sich nicht entfalten und schon werden die Kontrollmechanismen zurückgefahren, genau wie es in den 80er Jahren (und danach) ablief, als die “Neocons” im Zeitgeist und der Neoliberalismus schick war. Und so dreht sich das Rad wieder in die gleiche Richtung und die Folgen werden dann noch viel katastrophaler sein.
Aber was wäre zu tun gewesen, um dies zu verhindern? Denn die Parolen der Kapitalismuskritiker und “Linken” wie “Marx hatte doch recht” und “Zwangsenteignung der Superreichen” wie überhaupt die Forderung, “den Staat” zu stärken, führen vom Problem weg statt es zu lösen. Marx hatte zwar mit seiner Einschätzung des Marktes recht, - diese Diagnose ist auch heute noch gültig - , seine Lösungsmethoden sind aber heute genauso falsch, wie sie es schon zu seiner Zeit waren.
Das tatsächliche Problem der westlichen “Demokratie” sind die politischen Parteien, die ideologisch genauso von gestern sind wie der Kommunismus, die längst zu reinen Selbstversorger-Organisationen verkommen sind, die einzig ihre eigenen Interessen verfolgen und die ihrer Klientel. Die politischen Parteien haben sich der Institutionen des Staates bemächtigt, als wäre er ihr Privateigentum. Und da es gilt, eine gierige Klientel zu versorgen und zufriedenzustellen, bläht sich der bürokratische Leib des Staates immer stärker auf, auf Kosten aller, die ihn ja erhalten müssen, aber immer weniger von ihm zurückbekommen, dafür aber immer stärker in ihren individuellen Freiheitsrechten eingeschränkt werden. Dabei muß die innere und äußere Sicherheit, - Kriminalität und Terrorismus, - als Vorwand herhalten, die Zivilgesellschaft immer genauer auszukundschaften, zu bespitzeln, einzuschränken. Denn was bleiben denn dem Bürger genaugenommen an demokratischen Rechten, außer der Möglichkeit, sich einmal in fünf Jahren zwischen fünf politischen Parteien zu entscheiden, von denen keine auch nur im mindesten seine Interessen vertritt.
Jeglicher Volksentscheid, der darüber hinausgeht, wird von den Parteien gefürchtet, wie der Teufel das Weihwasser fürchtet und folglich unterbunden. In penetranter Arroganz nennen sie sich selbst Volksvertreter, obwohl keiner von ihnen vom Volk gewählt wurde. Aber ich schieße über mein Ziel hinaus.
Wie schon gesagt, das Elend der westlichen Scheindemokratie ist die Allmacht der politischen Parteien, ihr längst nicht mehr vorhandener Vertretungsanspruch der Bevölkerung und die schiere Unmöglichkeit, dies zu ändern, da nicht einmal eine Krise wie die gegenwärtige dazu führt, daß sich die Menschen besinnen und nicht länger von der medialen Manipulationsmaschinerie vereinnahmen lassen. Das Gegenteil ist der Fall. Neben der Neugestaltung eines zeitgemäßen, die Zivilgesellschaft repräsentierenden Staates, der sich von den politischen Parteien alten Zuschnitts verabschiedet hat, wäre auch der globale Markt, also die Weltwirtschaft derart neu auszurichten, daß sie sich von der Prämisse der Profitmaximierung verabschiedet. Genauso wie der einzelne die ständige Mehrung seines Wohlstands, die auch immer auf der Verminderung anderswo beruht, nicht zum alleinigen Gebot seines Strebens macht. Also nicht der große ideologische Wurf wäre gefragt gewesen, sondern Staat und Wirtschaft so weiter zu entwickeln, daß ihre nützlichen Funktionen gestärkt, ihre, die Mehrheit schädingenden, abgebaut würden. Aber genau das Gegenteil geschieht zur Zeit und das ist, wie eingangs erwähnt, für den Zeitzeugen deprimierend.

Pickel-Seneca

Donnerstag, Mai 14th, 2009

Vorbemerkung: Dies ist ein fiktionaler Text. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Im Zirkus nicht, nicht in der Heilanstalt,
Allein im Netz sind sie, ob jung, ob alt,
Sind alle Freaks versammelt, ohne Zweifel,
Dort hausen sie als Zweistein, Gott und Teufel.
Was zählen heute Uni, ein Diplom?
Das ist von gestern wie ein morscher Dom.
Doch heute reicht wohl auch ein Abitur,
Um tertiär zu schwafeln, als Tortur
Für alle diese Altertümler, deren Sinne
Noch nicht gefressen wurden von der Spinne.
“Angeber sind die andern, aber wir,
Wir öffnen euch des Wissens hohe Tür
Statt der der Hose, ist sie auch geschwollen.
Das macht das Netz ja erst zu einem tollen.”

Dort sah ich auch den “Pickel-Seneca”
Mit stumpfer Schnauze rufend: Heureka.
Hoch oben für uns Würmer auf dem Thron
Sitzt er so aufgebläht wie ein Ballon.
In Schwarz und Weiß zum Glück nur sein Gesicht,
Als stamme es aus einem Benn-Gedicht.
Schwarz-weiß auch alles, was er so geschrieben.
Doch jeder Anfang heißt halt: Üben, üben.

Ich las vergnügt drei Zeilen. Nicht die Güte
Ist hier am Wort wie einst. In bleicher Blüte
Verfault die Schönheit, leider sekundar.
Doch halt. Auch Pubertät ist wirklich, wahr.
Wir sind im Netz, wo jeder Zwerg ist Riese.
Die Zeit der virtuellen Paradiese
Hat schon begonnen und kein Kokain
Ist mehr von Nöten, um davon zu ziehn.
Und außerdem gibt es noch diese Ode:
Großartig, daß sie in der Garderobe
Poetischer Gehäuse dieser Welt
Zu finden ist, weil sie so gut gefällt.
Was haben wir nicht schallend losgelacht,
Und Hansi hat sein Höschen naßgemacht.
Und Hölderlins Kadaver kriegt die Röte
Aus Neid auf diese Pickel-Sphären-Flöte.
Auch Klopstocks Leiche fängt an zu rotieren.
Wir wollen sie nicht weiter konfrontieren…

Dies Wesen ist wahrhaftig ein Genie.
Drum, ihr Banausen, runter auf die Knie
Und schlagt die Stirn jetzt dreimal auf den Boden,
Laut singend wie Choräle seine Oden.

Kritiker

Mittwoch, Mai 13th, 2009

Reißt die Kritiker in Stücke,
Werft die Stücke in den Koben,
Denn es ist nur Herzens-Tücke,
Wenn sie euch perfide loben.

Gebt den Freunden roh den Stecken,
Die euch auf den Schultern tragen;
Die euch stets die Zehen lecken,
Müsst ihr in die Wüste jagen.

Alle, die euch nur beschleimen,
Tretet kräftig in die Erde
Denn bevor ihr könnt noch träumen,
Drängelt schon die neue Herde.

Einzig Selbstlob sei euch teuer.
Deshalb nährt es Scheit um Scheit,
Die ihr werft ins Ego-Feuer,
Dass es leuchtet meilenweit

Das geheime Wort

Montag, Mai 11th, 2009

Durch wilder Träume Fratzen aufgewacht,
Steh ich verschlafen noch vorm Badespiegel,
Der Kopf fühlt sich so schwer an wie ein Ziegel.
Was war es nur, woran ich kurz gedacht.

Je mehr ich mich auch mühe, es ist fort.
Vor mir das Monotone meiner Tage,
Minuten wandeln sich zur Mückenplage.
Ach, hätt ich nur den Zauber, jenes Wort.

Mir schwindelt mitten auf der Hängebrücke,
Schau ich hinab auf meiner Seele Grund.
Darüber öffnet sich des Daseins Mund

Und grinst mit schwarzen Zähnen voller Tücke.
Dort liegt die Zukunft, dort Vergangenheit.
Doch beide scheinen um dies Wort zu weit.

Der Tag trägt Trauer

Sonntag, Mai 10th, 2009

Im grauen Heute muß ich Trauer tragen,
Die Stunde naht vom Tod der letzten Wale.
Die nach uns, falls sie sind, die werden fragen:
Was waren sogenannte Ideale,
Die wir da fanden, abgelegt im Graben,
Im Abflußrohr, im kotigen Kanale,
Getauscht wofür, wir sehen kein Profil,
Nur einen alten Mann fern im Exil.
Aufrecht, den Kopf nicht neunzig Grad gedreht,
Wie jenes Volk, dem er einst vorgestanden.
Und ein Planet, der längst schon überbläht;
Jahrtausenddenken scheitert, geht zuschanden
Im harten Sturm, der durch Gebirge weht,
In roher Hand von kriminellen Banden.

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at, 1994

Kannibalen

Freitag, Mai 8th, 2009

Unter dem wild zuckenden Herz der Sonne,
Steil vermehren sich die Kannibalen,
Schleimspurend im zerfleischten Tag.

Sie häuten die Wolken mit spitzem Metall
Und legen Feuer in knochige Bäume.
Sie schleifen die Erde mit schwarzem Gebiß.

Über sinnlich kreisenden Würmern,
Hoch lärmend hausen die Kannibalen
In blutigen Kirchen und Gier.

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at

Was taten wir der Welt

Donnerstag, Mai 7th, 2009

Was wurde aus dem Regen?
Was taten wir der Welt?
Der Bauern einstig Segen
Für gutes Korn am Feld,
Ist heute Schadenbringer,
Ein tödlich Pflanzengift.
Schon schwenkt des Teufels Finger,
Daß es die Menschen trifft.

Und hoffen, reparieren,
Hier einerseits und dort
Ganz schnell noch abkassieren,
Gleich dem Prinzipe Sport.

Der Kreislauf ist zerschlagen,
Ersetzt durch Denkerplan.
Der bringt nur neue Fragen
Auf einer schrägen Bahn.

Was machten wir zu Erden,
War solches unser Sinn,
Was soll denn jetzt bloß werden,
Da ringsum alles hin?

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at, 1994