Pickel-Seneca

Vorbemerkung: Dies ist ein fiktionaler Text. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Im Zirkus nicht, nicht in der Heilanstalt,
Allein im Netz sind sie, ob jung, ob alt,
Sind alle Freaks versammelt, ohne Zweifel,
Dort hausen sie als Zweistein, Gott und Teufel.
Was zählen heute Uni, ein Diplom?
Das ist von gestern wie ein morscher Dom.
Doch heute reicht wohl auch ein Abitur,
Um tertiär zu schwafeln, als Tortur
Für alle diese Altertümler, deren Sinne
Noch nicht gefressen wurden von der Spinne.
“Angeber sind die andern, aber wir,
Wir öffnen euch des Wissens hohe Tür
Statt der der Hose, ist sie auch geschwollen.
Das macht das Netz ja erst zu einem tollen.”

Dort sah ich auch den “Pickel-Seneca”
Mit stumpfer Schnauze rufend: Heureka.
Hoch oben für uns Würmer auf dem Thron
Sitzt er so aufgebläht wie ein Ballon.
In Schwarz und Weiß zum Glück nur sein Gesicht,
Als stamme es aus einem Benn-Gedicht.
Schwarz-weiß auch alles, was er so geschrieben.
Doch jeder Anfang heißt halt: Üben, üben.

Ich las vergnügt drei Zeilen. Nicht die Güte
Ist hier am Wort wie einst. In bleicher Blüte
Verfault die Schönheit, leider sekundar.
Doch halt. Auch Pubertät ist wirklich, wahr.
Wir sind im Netz, wo jeder Zwerg ist Riese.
Die Zeit der virtuellen Paradiese
Hat schon begonnen und kein Kokain
Ist mehr von Nöten, um davon zu ziehn.
Und außerdem gibt es noch diese Ode:
Großartig, daß sie in der Garderobe
Poetischer Gehäuse dieser Welt
Zu finden ist, weil sie so gut gefällt.
Was haben wir nicht schallend losgelacht,
Und Hansi hat sein Höschen naßgemacht.
Und Hölderlins Kadaver kriegt die Röte
Aus Neid auf diese Pickel-Sphären-Flöte.
Auch Klopstocks Leiche fängt an zu rotieren.
Wir wollen sie nicht weiter konfrontieren…

Dies Wesen ist wahrhaftig ein Genie.
Drum, ihr Banausen, runter auf die Knie
Und schlagt die Stirn jetzt dreimal auf den Boden,
Laut singend wie Choräle seine Oden.

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