Archive for August, 2008

Nachtrag zur Exkursion…

Samstag, August 9th, 2008

24 Stunden sind seit der Exkursion im Netz vergangen und die Irritation hat sich inzwischen gelegt. Die Hoffnung auf reiche Ernte lag darin begründet, daß, anders als der Buchmarkt, den ein Kartell der Kurzsichtigen beherrscht - gemeint ist die unheilige Dreifaltigkeit aus ahnungslosen, kommerzgeilen Verlegern samt impotentem Lektorenschwanz, den pseudointellektuellen Kritikern im Feuilleton sowie den Autoren, die ihr Schreiben danach ausrichten, von diesen Wichtelmännern der Literatur gewürdigt zu werden -das seit Jahrzehnten das Erscheinen von neuer Lyrik unterbindet, das Netz keine Vorabzensur selbsternannter Experten zuläßt. Außerdem eignet sich das Gedicht aufgrund seiner Kürze, seiner formalen Prägnanz sowie seiner Bildhaftigkeit als literarische Form viel besser für das Netz als Prosatexte, deren Umfang allein schon, z.B. bei Romanen, dem Lesen am Bildschirm im Wege steht. Die versfabrik.at wird jedenfalls den Vorteil, keinem Verleger in den Arsch kriechen - bzw. keinem Kritiker den käsigen Schwanz lutschen zu müssen, den ihr das Netz bietet, nützen, indem sie sich einzig der Literatur und dem Leser verpflichtet sieht, wobei es nicht um Anbiederung an den Leser geht, sondern schlicht um den Respekt, den er sich als Adressat der hier publizierten Texte verdient.

Einfach so hingesagt

Freitag, August 8th, 2008

Sie haben mir die Haut vom Leib gezogen,
Hernach gevierteilt und zuletzt verbrannt.
Die Asche streuten sie vom Brückenbogen.
Ein Pfaffe hat die Seele noch verdammt.

Hoch in der Stratosphäre ziehn die Winde
Die Glut der Seele um die weite Welt,
Wo heute das Kommando haben Blinde,
Wo Kinder schlagen Alte tot für Geld.

Sie haben euch verkauft, verhöhnt, verraten.
Und was tut ihr, ihr sagt: Was solln wir machen?
Wie Schlachtvieh blökt ihr, echte Demokraten
Sperrn sich ins Scheißhaus, wo sie auch nicht lachen.

Exkursion im Netz, Fortsetzung

Freitag, August 8th, 2008

Nachdem der Lyrik-Suchende der lieben Frau Susanne den Rücken gekehrt hat, beschließt er, das Tempo seiner Exkursion zu erhöhen, um rechtzeitig zu seinem Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach einer über hundert Jahre alten Leiche und noch vor einer berühmten Dichterin, die auch schon vor über vierzig Jahren verstorben ist, öffnet ihm an der Adresse blog.sms.at/gedichte die 16jährige Melanie Tür und Herz, desgleichen die um 10 Jahre ältere Nikki, die nur eine Tür weiter wohnt. Nun, wenn junge Menschen ihre pubertären bzw. postpubertären Probleme dadurch artikulieren, indem sie “Gedichte” schreiben, so kann das nur positiv gesehen werden, ob nun Talent vorhanden ist oder nicht. Mit zeitgenössischer Lyrik ist es allerdings unter keinen Hut zu bringen, genausowenig wie all die anderen Seiten, die während der Exkursion noch aufgesucht wurden, ganz gleich ob im Sehschlitz der Suchlarve “Gedichte” oder “Verse” oder “Lyrik” steht. Vor der Rückkehr zur versfabrik.at traf der Sucher noch den Baufritze, der auf der Seite www.gedichte.vu zwischen I. Bachmann und G. Benn wie die Made im Speck der Poesie hängt und dort Texte publiziert, die weder Gedichte noch in dt. Sprache geschrieben sind, womit sich der Kreis, der mit der lieben Frau Susanne begonnen hat, schließt und all jene, die da geglaubt haben, im Netz fände sich selbstverständlich auch zeitgenössische Poesie, ziemlich ratlos zurückläßt.

Exkursion im Netz

Donnerstag, August 7th, 2008

Der Betreiber der versfabrik.at hat einen Betriebsausflug als Exkursion im Netz gestaltet, um jene Orte bzw. Seiten aufzusuchen, die zumindest auf den ersten Blick Parallelen zur versfabrik.at aufweisen. Da kein Führer zur Verfügung stand, wurde die beliebteste Netz-Krücke, nämlich eine Suchlarve,
zur Hilfe herangezogen und deren Seh-oder Suchschlitz mit den dafür relevanten Begriffen: a)Gedichte, b)Verse, c)Lyrik gefüttert, woraufhin das Maul der Larve sofort eine Reihe von Adressen ausschleimte, die der Besucher der Reihe nach aufzusuchen gedachte. Schon der erste Eindruck, den die topgereihte Seite www.gedichteweb.com beim Besucher hinterläßt, irritiert diesen gehörig: Von einem Foto begrüßt ihn die liebe Frau Susanne und teilt ihm mit, warum sie schreibt, nämlich um “ihre Mitte” (!) im Gleichgewicht zu halten, womit sie wörtlich meint, das Mittelmäßige aller Dinge nicht aus den Augen verlieren zu wollen. Nun, dabei wünscht ihr der Besucher viel Glück, wenn möglich auch weniger Rechtschreibfehler, außerdem unterläßt er es, Inhalt und Design der Seite zu kommentieren und sagt nur: Jedem das Seine und keinem Alles. Bevor er nun die Exkursion fortsetzt, benötigt er dringend eine kurze Aus-Zeit, die er auch sofort in Anspruch nimmt, wodurch die Mitteilung hier endet.

Da sitze ich

Mittwoch, August 6th, 2008

Da sitze ich in meinen engen Wänden
Ans Sein gefesselt und ich weiß nicht wie
Und nicht warum der Klang der Melodie
So dissonant sich färbt in meinen Händen.

Da sitze ich vor Pfaffen und Doktoren.
Sie trinken roten, trinken braunen Wein
Und können sich am Helfen noch erfreun,
Indes die Zündschnur brennt in meinen Ohren.

Ich trenne nicht in Gute und in Böse,
Und auch das Kranke oder das Gesunde
Sind bloß Konstrukt, am Saum der Wirklichkeit

Vorbeigedacht; die Sprache als Prothese.
Doch grausam bleibt das Gehen vor die Hunde,
Solang die Armut wächst und hilflos schreit.

Eine “zeitgemäße” Neuübersetzung

Mittwoch, August 6th, 2008

Im rosaroten Intelligenzblatt schreibt ein altgedienter Rezensent, daß W. Faulkners “Licht im August” endlich in einer zeitgemäßen Neuübersetzung auf den Markt geworfen wird, wobei zeitgemäß für die Übersetzung eines 70 Jahre alten Werks nur eines bedeuten kann, daß das Werk der heutigen Zeit angepaßt , daß es verfälscht worden ist. Und schon sind wir bei einem der Grundübel der gegenwärtigen dt. Verlagsszene angelangt, einem Übel, das vom Rezensentenpack im Feuilleton voll mitgetragen wird - die da wie dort so beliebten Neuübersetzungen. Im Gegensatz zu ihnen wird Originalliteratur von ihren Verfassern in der Regel ein einziges Mal publiziert und nicht in bestimmten Zeitabschnitten durch Neufassungen ersetzt, was auch nicht notwendig ist, denn das Wesen guter Literatur offenbart sich u.a. darin, daß sie auch von späteren Generationen immer wieder neu entdeckt werden kann, zeitgemäße Neuadaptierungen sind dabei undenkbar, sind ein Widerspruch zur Originalität eines Werks.
Der Drang, ständig die bekannteren Werke der Weltliteratur neu übersetzen zu lassen, ist ein beliebtes Marketinginstrument dt. Verlage, wodurch dem Leser suggeriert werden soll, das Werk sei neu, ein plumper Psychotrick; neu ist einzig die Übersetzung, und falls sie auch noch “zeitgemäß” ist, dann ist allerhöchste Vorsicht geboten, intendiert der Begriff “zeitgemäß” doch den Umstand, daß das Werk der heutigen Zeit angepaßt wurde, was nichts anderes als eine Verfälschung des Originals bedeutet, wenn auch nur in der Übersetzung, was für sich schlimm genug ist.
Anstatt bekannte Werke der nichtdeutschen Literatur immer wieder neu übersetzen zu lassen, sollten die Verleger dafür Sorge tragen, daß “ihre” Übersetzer zumidest minimale Qualitätsstandards einhalten, denn da liegt das tatsächliche Problem des Übersetzens, daß nämlich über 90% aller Erst-u. Neuübersetzungen gelinde gesagt mangelhaft bis völlig mißraten sind, doch das kümmert die immer kommerzieller agierenden dt. Verlage einen feuchten Hugo. Total peinlich wird es, wenn Verlage gelungene Erstübersetzungen durch mißratene Neubearbeitungen ersetzen, was immer häufiger vorkommt.
Das Übersetzen von Literatur ist ebenfalls eine literarische Tätigkeit, was die meisten Verleger schlicht ignorieren.

Der Fatzke vom Feuilleton

Dienstag, August 5th, 2008

Einer der unsäglichsten Berufe, bzw. Tätigkeiten ist der/die des Kritikers im Feuilleton, diese spezielle Spezies, die zwar unfähig ist, Eigenes zu schaffen, was sie aber nicht daran hindert, ihren intellektuellen Senf, ihre kritische Sülze, auf die Werke anderer zu schmieren, in einem Tonfall der Arroganz und Besserwisserei, der wahrscheinlich die nicht vorhandene eigene Kreativität kompensieren soll.
Der Typus des Kritikers charakterisiert sich durch intellektuelle Selbstüberschätzung und kreative Impotenz; diese Kombination qualifiziert ihn bestens für das Feuilleton, jenen Ort, der zum Tummelplatz verhinderter Literaten, Möchtegernkünstler und pseudointellektueller Klugscheißer verkommen ist, was nicht weiter schlimm wäre, gäbe es da nicht das peinliche Anbiedern der Autoren an das Feuilleton und zwar in einem Ausmaß, daß es den Anschein hat, vielen Schriftstellern ist es am wichtigsten, daß ihre Werke im Feuilleton lobende Erwähnung finden, wodurch das Selbstwertgefühl der Kritiker gehörig gesteigert wird, was diese wiederum gnädig stimmt hinsichtlich des ihnen anvertrauten literarischen Mülls; ein Wechselspiel, eine Hand wäscht die andere, ein Schwanz lutscht sich nicht von allein, wobei Namen hier nur Schall und Rauch sind: Das dt.sprachige Feuilleton hat sich in eine literarische Behindertenlatrine verwandelt. Und so begrenzt literaturaffin das Web auch sein mag, allein durch seine totale Unabhängigkeit vom Feuilleton erwächst ihm eine literatur(theoretische) Bedeutung, die leider noch viel zu wenig erkannt und genutzt wird.

Im Sprachsumpf (1)

Dienstag, August 5th, 2008

Nun, eigentlich sollten wir uns nicht darüber wundern, daß die Berichterstattung in den Medien so oberflächlich, so ungenau, ja, schlicht falsch ist, wenn sich alle Journalisten stets “vor Ort” einfinden, um dann direkt vom Ort des Geschehens zu berichten, jenem Ort, an dem sich die Journalisten wirklich befinden sollten und nicht davor.
Unerträglich anzuhören und obendrein grammatikalisch falsch ist die Floskel “außen vor” (statt draußen), die auf der verbalen “Agenda” (noch so ein Unwort, und zwar für Tagesordnung) der Journalisten ganz oben steht.
Ganz von selbst demaskiert sich das v.a. bei Politikern überaus beliebte “Andenken” von Problemen, wobei es nicht auszudenken wäre, wenn alle, die ständig etwas andenken, tatsächlich denken würden. Ja, wo kämen wir da noch hin - möglicherweise zur Vernunft statt ständiger Phrasendrescherei und Gedankenmüll.

Am Fenster sitzend

Dienstag, August 5th, 2008

Am Fenster sitzend streift mein Blick
Die Straßen hin, die Hausfassaden her,
Zum Himmel hoch, herab auf den Verkehr,
Und fällt dann wieder auf mich selbst zurück.

Zurück auf Schatten von verdammten Jahre,
Und auch zurück auf manche schönen Tage.
Doch taugen meine Verse nicht zur Klage.
Und außerdem hör´ich schon die Fanfare.

Der freie Markt spielt auf, er spielt allein.
Was einst ein Mensch war, ist nun Konsument.
Wer hat, der ist, wer ist, ist prominent.
Und alle leiden wir am Glücklichsein.

Rückblick

Sonntag, August 3rd, 2008

Als Kind, da hast du alle Zeit
Der Welt, doch später gehen Jahr um Jahr
Viel schneller, als es früher war;
Und manches tut uns dann auch leid
Und ist nicht mehr zu ändern.