Archive for the ‘02 Verse’ Category

Land mit Eigenschaften

Dienstag, August 19th, 2008

O Heimat wildgewordner Neidkomplexe;
Hier diffamieren Bierbauchpatrioten
Die Nonkonformen gern als Idioten,
Hier ehrt mann ausgestopfte Alpenfexe.

In Schädelpfützen saugen Riesenzecken.
Und das Gedächtnis, mehr noch das Gewissen,
Kloaken nur, verstopft und braungeschissen.
Als Bürgerdienst darf mensch den Gehsteig lecken.

O Land der Kriecher, Schlucker, Ministranten,
Sensibler Geister, Meister der Amnesen,
Balancegeübt beim Buckeln und mit Besen,

Fiktives Mausoleum der verkannten
Genies. Berühmt auch für das Stiefelkäsen,
Für die Gemütlichkeit im Fleischquadranten.

Klischee

Dienstag, August 19th, 2008

Auf asphaltierten Plätzen, lässig an Säulen gelehnt,
So stehen wir locker in Stiefeln auf Stunden,
Von dunklen Brillen geschützt, voll zugedröhnt,
In schwarzem Leder, beschnüffelt von Hunden,
Wie Kot auf den Straßen nach gestern.

An literarische Vorbeiläufer

Montag, August 18th, 2008

O Lied der Welt, wie rasch bist du verdorben
In Stümperhand. Ihr Helden flacher Zeit
Habt euch so selbst - von was weiß ich - befreit
Und seid nur dilettantisch dumm geworden.

Denn euer Horizont ist eine Nabelschnur,
Und was ihr schafft, das ist verbaler Schotter,
Und das Produkt ist weniger als Dotter
Vom Ei. Und bleiben wird nicht eine Spur.

Wer braucht denn solchen Schrott, die Egotrümmer,
Den Wortkakao und zerebraler Zellen
Verschlackten Strunz, Poetenkot und schlimmer.

Wir wolln zurück die Saiten für den Klang
Und Farben, dunkeltief, die venushellen,
Und Traumtiraden, Rausch und Überschwang.

Freundschaft, Genossen!

Samstag, August 16th, 2008

Am besten geht es dir in Wien
Als Mitglied der Lulu-Partei.
Viel tiefer noch als Heroin
Und höher als ein Koka-Fly
Ist Freundschaft für Genossen.

Ein jeder, der nichts kann noch hat,
Darf Wolkenkratzer planen,
Als Mitglied darfst du diese Stadt
Befahrn auf eignen Bahnen
Und Freundschaft ihr Genossen.

Beim Bürgermeister eingeschleimt,
In welches Loch auch immer,
Bringt Klebstoff, der die Zukunft leimt,
Und geht die Welt in Trümmer.
Ein Freundschaft den Genossen.

Doch eines sei dazu gesagt:
Wer nicht für sie ist, ist dagegen,
Dann wirst du aus der Stadt gejagt,
Ganz gleich auf welchen Wegen.
Kein Freundschaft mehr Genossen.

Ein heißer Wind

Freitag, August 15th, 2008

Ein heißer Wind peitscht zornig auf die Dächer,
Gebeugte Greise hinter Fenstern lehnen,
Mit leerem Blick das längst Vergangne sehnen.
Vom Tische säuert scharf ein Plastikbecher.

Krank ist die Mutter, stündlich wird sie schwächer.
Die eigne Brut saugt gierig an den Venen.
Ein heißer Wind peitscht zornig auf die Dächer,
Gebeugte Greise röchelnd Pillen nehmen.

Des Vaters Zahn liegt schmutzig in dem Becher,
Aus umgehackten Bäumen sickern Tränen
Und Fischblut strömt aus weichen Wasserhähnen.
Ein heißer Wind peitscht zornig auf die Dächer,
Gebeugte Greise vor Verzweiflung gähnen.

Im Blutgebüsch

Donnerstag, August 14th, 2008

Im Blutgebüsch, wo Jäger tiefer zielen
Die Wolkenfront verschluckt ein Aeroplan
Vom Wandkreuz wiehert des Erlösten Scham
Am Boden liegen bleierne Kanülen.

Die letzte Tram

Donnerstag, August 14th, 2008

Die letzte Straßenbahn ist abgefahren.
Die späten Zweifler dürfen sich genieren.
Ein Schließhund prüft die Schlösser an den Türen.
Ein Sportler spürt im Knie den Sand von Jahren.

Ein guter Bürger riecht rundum Gefahren.
Ein Passagier spuckt schleimig röchelnd Viren.
Ein Urologe zündelt an Papieren.
Die letzte Straßenbahn ist abgefahren.

Zu Hause wartet wer im trüben Licht.
Ein Rentner zuckt in seinem Bett verschwommen.
Am Bildschirm ist der Held total verkommen.
Im Spiegel wächst ein rußiges Gesicht.

Aus Wänden steigen Schatten, nicht die frommen.
Im Keller wird zum Spaß ein Balg erstickt.
Die Zeit steht kopf, doch irgendetwas tickt.
Der letzt Zug ist noch nicht angekommen.

Der Außenseiter

Mittwoch, August 13th, 2008

Kaum, daß ich ins Freie gehe,
Werd´ich blöde angestiert
Von den Leuten, aus der Nähe,
Gar mit Fernrohr scharf fixiert,
Ohne daß ich nur verstehe,
Was da eigentlich passiert.

Manche zeigen mit dem Finger,
Bilden um mich einen Kreis,
Und der Abstand wird geringer,
Während ich nicht einmal weiß,
Ob sie mich in einen Zwinger
Stecken möchten, das Geschmeiß.

Also dreh´ich meinen Rücken
Ihnen zu und mache schnell.
Laut hör´ich die Schläfen ticken
Und ein häßliches Gebell.
Hunde jagen ohne Krücken,
Aber noch trag´ich mein Fell.

Ich gedenke, es zu tragen
Morgen noch und nächstes Jahr.
Und ich hör´nicht auf zu fragen,
Was gelogen ist, was wahr.
Denn das ganze Unbehagen
Wächst nicht auf dem Trottoir.

Es gedeiht im Herz des Feigen,
Wenn wir uns im voraus bücken,
Daß uns andere besteigen,
Und wir freundlich dazu nicken.
Und im übrigen stets schweigen.

So soll unser Dasein glücken?

Ihr Mädels

Montag, August 11th, 2008

Ihr Mädels von der andern Seite,
Seid was ihr seid und kommt mal rüber.
Was kümmern uns denn all die Leute,
Die Glatzenträger, Vorhautschieber,
So wie der Rest der dumpfen Meute.
Das sind doch nichts als Schrumpfkaliber.

Ihr Mädels, öffnet Augen, Ohren:
Hier wird getanzt, Musik gemacht.
Hier bleibt nicht Zeit zum Nasenbohren.
Hier wird gefeiert Tag und Nacht.
Und die uns hindern, sollen schmoren,
Sie werden einfach weggelacht.

Ihr Mädels von der andern Seite,
Jetzt seid ihr endlich alle da,
Auf daß die Welt nur Kopf steht heute,
Der Teufel lispelt: Heureka,
So jung, so frisch, welch geile Bräute
Für einen Ritt et cetera.

Wir hatten Ideale

Samstag, August 9th, 2008

Wir hatten Ideale,
Ein Ziel, viel Energie
Und wollten das totale
Primat der Theorie.

Die Wende kam, sie kam nicht so,
Wie wir uns das so dachten.
Der Zeitgeist schlug mit rechts K.O.
Und ging sofort ans Schlachten.

Da drehten wir uns schnell im Wind
Und heulten mit den Hunden.
Ja, damals waren wir so blind,
Das will ich laut bekunden.

Heut lieben wir den Markt, das Geld,
Das Wachstum ohne Grenzen
Beschleunigt bis ans End`der Welt.
Auf das wir glänzen, glänzen.