Archive for the ‘02 Verse’ Category

Gestern Heute

Mittwoch, März 15th, 2023

Gestern war der Tag noch so wie immer.
Ich schritt voran und blieb dabei nicht stehn.
Und aufgeräumt war jedes meiner Zimmer,
Wo die Gedanken hausen stets bequem.
Mit Stilkrawatte und als Daseinsschwimmer
Hielt ich das Tempo, ohne viel zu sehn.

Heute kann ich mich nicht konzentrieren.
Die Ordnung, die ich schuf, zerfließt zu Brei.
Doch kümmert es mich nicht, sie zu verlieren,
Macht doch Verlust die Menschen manchmal frei.
Mein Herzschlag öffnet alle Fenster, Türen,
Und was ich sehe, sehe ich wie neu.

Mode

Dienstag, März 7th, 2023

Ich weiß, Demokratie
Ist längst schon nicht mehr in.
Nach Wohlstands-Diktatur
Steht allen uns der Sinn.
Wer ausschert aus der Spur,
Kriegt eine Vollrasur.

Das Gerücht (St)

Sonntag, Februar 26th, 2023

Sie kamen in der
Dämmerung über
Uns in großer Zahl
Und traten uns die
Nägel von den Zehen
Steckten uns Frösche
Ins Maul und lachten
So höhnisch so krass
Sahen sie aus wie Gift
Zwerge voll Pickel
Die Fratzen grüne
Wörter spritzen sie
In die seichte Luft wo
Sie zischend stecken
Bleiben ja heute
Ist irgend etwas
Böses im Fluss denn
Ich kann es riechen
Wie ranziges Obst
Heut hat es begonnen
Und aufhören wird es
Nimmermehr o Gott

Das geheime Zimmer *

Sonntag, Februar 19th, 2023

Komm, wir öffnen jetzt die Türen
Und betreten dann den Raum,
Wo Gedanken sich verlieren,
Leicht und luftig wie im Traum.

Nicht wie jene, die nur kleben,
Ob Revolte oder Pflicht,
Wollen wir am - nenn es Leben.
Schau doch bloß in ihr Gesicht,

Das im Lauf von ein paar Jahren
Häßlich wird, ein kranker Ort,
Den ein jeder will sich sparen
Und mit ihm zugleich das Wort.

Wörter, ach, wozu noch sprechen,
Wenn hernach nur Lügen sind?
Laß uns lieber mit dem Rechen
Einen Scheitel ziehn dem Wind.

* für Gerda

Vollendung *

Sonntag, Februar 12th, 2023

Sieh, die Sonne steigt im Osten,
Schminkt dem Tag jetzt das Gesicht.
Laß uns von der Stunde kosten,
Da im Tau die Welt sich bricht.
Wenn der Schlaf beginnt zu schwinden,
Und der Traum verschließt sein Tor,
Wollen wir uns neu erfinden,
So wie Funken, die zuvor
Noch nicht waren, plötzlich sprühen,
Reiben wir uns, Stein an Stein,
Werden Sterne, Galaxien,
Für Momente alles sein.

* für Gerda

Das Purpurtal * (St)

Samstag, Februar 4th, 2023

Auf beiden Seiten
Stehn die Minuten
Spalier dazwischen
Ein Feuer einmal
Noch will ich deine
Lippen spüren auf
Meinem Hals wie ein
Gewitter plötzlich
Durch die Synapsen
Flutet einmal noch
Schweben dann fallen
Ins Purpurtal und
Schmelzen wie Licht am
Grund des Augenblicks
Bevor die Stunden
Wieder marschieren
Wie holzbeinige
Soldaten auf Sand

*für Gerda

Schwarz und rot (St)

Sonntag, Januar 29th, 2023

Ins Antlitz blinder
Spiegel hab ich ein
“Z” geritzt manchmal
In roter Farbe
Für die Gläubigen
Manchmal so schwarz wie
Der Stuhl des Papstes
Für die Wissenden
Aber jetzt da die
Spiegel bebrillt sind
Und Verdacht schröpfen
Bin ich in Deckung
Gegangen ohne
Hoffnung versteht sich
Auf Unterwäsche

Montag (St)

Samstag, Januar 21st, 2023

Montag ich hasse
Dein Kübelgesicht
Morgens im Spiegel
Da der Minuten
Spargel aus Poren
Grünt um den Mund ein
Bart aus Stacheldraht
Darin der Speichel
Platzend Blasen wirft
Und verdampft während
Wir hechelnd das Licht
In Säcken fangen
Ein Witz der sich stellt
Ins braune Regal
Mittags die Menschen
In maßloser Form
Kommen die Stunden
Und gehen quietschend
In spitzen Stiefeln
Hinter die Wörter
Tretend zugrunde
Zwischen den Zeilen
Verläuft sich der Sinn
Abends zu Hause
Trübsal und Flaschen
Tragen Krawatten
Um den Hals das Herz
Schlägt taktlos Brücken
In den Morgen sinkt
Das nächtliche Schiff
Auf träumender Flut

Wo das Geld wächst

Dienstag, Januar 10th, 2023

Die Schlieren in der Luft verkleben das Gesicht;
An den Laternen hängen klappernde Gestalten
Im Wind, es heißt, daß uns die höheren Gewalten
Am Nasenring durchs Leben ziehn, ich weiß ja nicht,
Ob die, die uns für blöd verkaufen, stets Krawatten
Aus Seide um die Hälse tragen, um zu scheinen
Im kleinen Universum ihresgleichen, wo den Kleinen,
Gemeint sind wir, der Platz bleibt, den sie immer hatten.

Märchen (St)

Dienstag, Dezember 27th, 2022

Am Morgen wenn der
Tag die Beine spreizt
Auch Mars und Venus
Hat die Dämmerung
Verhüllt mit grauem
Schleier im Osten
Steigt zyklopenhaft
Ein rotes Auge
Hoch zieht der Wecker
Mich an den Haaren
In das Bewußtsein
Hämmert seine Faust
Dem Schlaf dem Freund das
Rückgrat schrill zu Brei
Vorm Spiegel stehend
Dann der Augenblick
Mein steter Dämon
Vis-a-vis wirft mir
Häme ins Gesicht
Bevor aus rohem
Maul die Zunge kriecht
Ein fetter Wurm mit
Borsten ekelig
Voll braunem Saft der
Auf den Boden tropft
Stößt unvermittelt
Tief in meinen Schlund
Hinein mit Kraft beiß
Ich das Ding entzwei
Verschluck es würgend
Ein Flimmern Flirren
Schwindel alles dreht
In Farbspiralen
Sich der Raum die Zeit
Die stille stand noch
Kurz zuvor vibriert
An Rumpf und Beinen
Wackelt mit dem Kopf
Ein irrer Schrei das
Glas zerspringt ein Sturz
Bach spült mich fort
Zum Tor hinaus auf
Bleiche Straßen die
Nach Madagaskar
Führen Fassaden
Krümmt Furcht aus Fenstern
Flattern Rentner trotz
Sender im Gehirn
Hoch auf dem Kirchturm
Hängt ein dünner Mann
In Purpurrobe
Und weißen Stiefeln
Neun nackte Knaben
Ans funkelnde Kreuz
Sodaß die Glocken
Enthemmt die Hüften
Zur Mahlzeit schwingen
Gestatten Korbes
Mein Name voll Grimm
Jagt die kreischende
Flut durch Schluchten aus
Beton am Rande
Winken Matrosen
Mit gelben Fahnen
Und blauen Bärten
Aus aufgeplatzten
Müllsäcken oder
Im Rollstuhl klebend
Uralte Lieder
In den Wind schluchzend
Während die Wellen
Mich immer weiter
Tragen an Stätten
Vorbei wo kein Mensch
Mehr in Häusern wohnt
Schwärme von Papier
Vögeln verbrennen
Mitsamt den Bäumen
Bis zu den Wurzeln
Ruinen und Rauch
Werden Routine
Unter fauligem
Himmel gelange
Ich am Abend in
Das Land der Toten
Und endlich ans Ziel
Der traurigen Fahrt