Archive for the ‘02 Verse’ Category

Linke Brüder

Sonntag, Mai 17th, 2009

Großmutters Zwergdackel “Francois” gewidmet

Wie Zombis kriechen sie aus ihrer Gruft,
Verschimmelt die geballte Zitter-Faust,
Verströmen einen penetranten Duft,
Verwurmt der Leib, verwanzt und voll verlaust.

Jetzt sind sie wieder da, die linken Brüder,
So überflüssig, wie sie immer waren;
Laut jodelnd ihre abgeschmackten Lieder,
Marschieren sie im Kreis, die blinden Narren.

Auf Transparenten hinkende Parolen;
So sicher wie die Fliegen auf dem Kot,
Wolln sie die Zukunft in das Gestern holen,
Frankfurter Würstchen, Senf, drei Scheiben Brot.

Als wär die neoliberale Sippe
Nicht Unheil schon genug für diese Welt.
Drum stopft die rot bemalte Kümmer-Lippe
Samt Kopf und Körper aus als Puppen-Held.

Distichon 2

Samstag, Mai 16th, 2009

Kennt ihr die Wesen im Netz, die uns Würmern die Welt dort erklären:
Göttern gleich fliegen sie auf, schweben ins Licht, bis es schnalzt.

Distichon

Samstag, Mai 16th, 2009

Menschen wie wir sind die letzten, die Verse noch schreiben und lesen.
Wisset, was folgt, das wird schlimm, schlimmer als alles, was ist.

Wir Narren

Freitag, Mai 15th, 2009

Wir sind doch nur die Narren dieser Zeit,
Ein Spielball jener, die uns kalt verachten.
Und alles kam ganz anders, als wir dachten.
So nah scheint ein Gedanke und so weit.

Wir sind nicht Gäste sondern Parasiten
Auf dieser Welt, die eng geworden ist,
Zu eng für den von uns erzeugten Mist.
Den Tropfen folgen so die Stalagtiten.

Wir sind so träg geworden. Ohne Kraft
Sehn wir am Bildschirm das fatale Treiben,
In eitler Hoffnung, alles möge bleiben
So fremdgelenkt in unsrer Körper-Haft.

Doch tief in mir ist irgendwas, das schreit:
Wir haben uns umsonst verkauft. Bestochen
Aus Feigheit, kommen wir daher gekrochen
Als Narren, die wir sind, in dieser Zeit.

Pickel-Seneca

Donnerstag, Mai 14th, 2009

Vorbemerkung: Dies ist ein fiktionaler Text. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Im Zirkus nicht, nicht in der Heilanstalt,
Allein im Netz sind sie, ob jung, ob alt,
Sind alle Freaks versammelt, ohne Zweifel,
Dort hausen sie als Zweistein, Gott und Teufel.
Was zählen heute Uni, ein Diplom?
Das ist von gestern wie ein morscher Dom.
Doch heute reicht wohl auch ein Abitur,
Um tertiär zu schwafeln, als Tortur
Für alle diese Altertümler, deren Sinne
Noch nicht gefressen wurden von der Spinne.
“Angeber sind die andern, aber wir,
Wir öffnen euch des Wissens hohe Tür
Statt der der Hose, ist sie auch geschwollen.
Das macht das Netz ja erst zu einem tollen.”

Dort sah ich auch den “Pickel-Seneca”
Mit stumpfer Schnauze rufend: Heureka.
Hoch oben für uns Würmer auf dem Thron
Sitzt er so aufgebläht wie ein Ballon.
In Schwarz und Weiß zum Glück nur sein Gesicht,
Als stamme es aus einem Benn-Gedicht.
Schwarz-weiß auch alles, was er so geschrieben.
Doch jeder Anfang heißt halt: Üben, üben.

Ich las vergnügt drei Zeilen. Nicht die Güte
Ist hier am Wort wie einst. In bleicher Blüte
Verfault die Schönheit, leider sekundar.
Doch halt. Auch Pubertät ist wirklich, wahr.
Wir sind im Netz, wo jeder Zwerg ist Riese.
Die Zeit der virtuellen Paradiese
Hat schon begonnen und kein Kokain
Ist mehr von Nöten, um davon zu ziehn.
Und außerdem gibt es noch diese Ode:
Großartig, daß sie in der Garderobe
Poetischer Gehäuse dieser Welt
Zu finden ist, weil sie so gut gefällt.
Was haben wir nicht schallend losgelacht,
Und Hansi hat sein Höschen naßgemacht.
Und Hölderlins Kadaver kriegt die Röte
Aus Neid auf diese Pickel-Sphären-Flöte.
Auch Klopstocks Leiche fängt an zu rotieren.
Wir wollen sie nicht weiter konfrontieren…

Dies Wesen ist wahrhaftig ein Genie.
Drum, ihr Banausen, runter auf die Knie
Und schlagt die Stirn jetzt dreimal auf den Boden,
Laut singend wie Choräle seine Oden.

Kritiker

Mittwoch, Mai 13th, 2009

Reißt die Kritiker in Stücke,
Werft die Stücke in den Koben,
Denn es ist nur Herzens-Tücke,
Wenn sie euch perfide loben.

Gebt den Freunden roh den Stecken,
Die euch auf den Schultern tragen;
Die euch stets die Zehen lecken,
Müsst ihr in die Wüste jagen.

Alle, die euch nur beschleimen,
Tretet kräftig in die Erde
Denn bevor ihr könnt noch träumen,
Drängelt schon die neue Herde.

Einzig Selbstlob sei euch teuer.
Deshalb nährt es Scheit um Scheit,
Die ihr werft ins Ego-Feuer,
Dass es leuchtet meilenweit

Das geheime Wort

Montag, Mai 11th, 2009

Durch wilder Träume Fratzen aufgewacht,
Steh ich verschlafen noch vorm Badespiegel,
Der Kopf fühlt sich so schwer an wie ein Ziegel.
Was war es nur, woran ich kurz gedacht.

Je mehr ich mich auch mühe, es ist fort.
Vor mir das Monotone meiner Tage,
Minuten wandeln sich zur Mückenplage.
Ach, hätt ich nur den Zauber, jenes Wort.

Mir schwindelt mitten auf der Hängebrücke,
Schau ich hinab auf meiner Seele Grund.
Darüber öffnet sich des Daseins Mund

Und grinst mit schwarzen Zähnen voller Tücke.
Dort liegt die Zukunft, dort Vergangenheit.
Doch beide scheinen um dies Wort zu weit.

Der Tag trägt Trauer

Sonntag, Mai 10th, 2009

Im grauen Heute muß ich Trauer tragen,
Die Stunde naht vom Tod der letzten Wale.
Die nach uns, falls sie sind, die werden fragen:
Was waren sogenannte Ideale,
Die wir da fanden, abgelegt im Graben,
Im Abflußrohr, im kotigen Kanale,
Getauscht wofür, wir sehen kein Profil,
Nur einen alten Mann fern im Exil.
Aufrecht, den Kopf nicht neunzig Grad gedreht,
Wie jenes Volk, dem er einst vorgestanden.
Und ein Planet, der längst schon überbläht;
Jahrtausenddenken scheitert, geht zuschanden
Im harten Sturm, der durch Gebirge weht,
In roher Hand von kriminellen Banden.

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at, 1994

Kannibalen

Freitag, Mai 8th, 2009

Unter dem wild zuckenden Herz der Sonne,
Steil vermehren sich die Kannibalen,
Schleimspurend im zerfleischten Tag.

Sie häuten die Wolken mit spitzem Metall
Und legen Feuer in knochige Bäume.
Sie schleifen die Erde mit schwarzem Gebiß.

Über sinnlich kreisenden Würmern,
Hoch lärmend hausen die Kannibalen
In blutigen Kirchen und Gier.

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at

Was taten wir der Welt

Donnerstag, Mai 7th, 2009

Was wurde aus dem Regen?
Was taten wir der Welt?
Der Bauern einstig Segen
Für gutes Korn am Feld,
Ist heute Schadenbringer,
Ein tödlich Pflanzengift.
Schon schwenkt des Teufels Finger,
Daß es die Menschen trifft.

Und hoffen, reparieren,
Hier einerseits und dort
Ganz schnell noch abkassieren,
Gleich dem Prinzipe Sport.

Der Kreislauf ist zerschlagen,
Ersetzt durch Denkerplan.
Der bringt nur neue Fragen
Auf einer schrägen Bahn.

Was machten wir zu Erden,
War solches unser Sinn,
Was soll denn jetzt bloß werden,
Da ringsum alles hin?

PS: Aus d. Vorzeit d. versfabrik.at, 1994