Archive for the ‘02 Verse’ Category

Bis es Tag wird

Dienstag, März 10th, 2015

Süß schmecken mir im Mund die lila Feigen,
Die du mir in der späten Nacht gereicht,
Im weichen Moos und unter Ahornzweigen,
Die sich im Winde wiegen, rhythmisch leicht.

Auf schneeverwehten Straßen, über Brücken,
Von Horizont zu Horizont und weiter,
So fliegen wir und wollen Beeren pflücken.
Ich bin dein Roß und du mein blauer Reiter.

Aus trüben Winkeln kriecht das Taggetier,
Erst Schatten bloß, die in den Stiefeln schwellen,
Mit Hörnern auf dem Schädel wie ein Stier,
Beginnt es rot, ins Innere zu quellen.

Mach schnell, bevor der Schranken niederfällt,
Und wir im Sonnenlicht wie Motten brennen.
Die Zeit läuft ab im Herzen dieser Welt.
Die Bäume stürzen, und die Menschen rennen.

Hol uns Tequila, Pfeife, ein Besteck.
Wir wollen den Kristall, den dunklen, fühlen.
Wolln höher steigen aus dem Alltagsdreck,
Wo Zwerge, Larven tragend, Ping Pong spielen.

März (H)

Samstag, März 7th, 2015

Eichkätzchen springen
Durchs Astwerk im milden Wind
Färbt sich die Welt grün

Gletschertraum

Dienstag, Februar 10th, 2015

Schneegestöber vor dem Fenster,
Weiße Welt, die Flocken tanzen,
Bäume ächzen wie Gespenster,
Und der Kopf ist voll mit Wanzen.

Winterstimmung in den Gliedern,
Kellerstiege führt zum Grund.
In den Ohren Schmalz von Liedern,
Wörter frieren zu im Mund.

Füchse schleichen um die Türen,
Tief im Traum erscheint die Braut,
Ist bereit, mich zu verführen,
Dass der Gletscher in mir taut.

Notwehr

Montag, Februar 9th, 2015

Ich spreize meine prallen Backen
Enthemmt dem neuen Tag entgegen,
Reiß aus der Stunde lange Zacken
Und ritze Zeichen an den Wegen.

Ich scheiße euch die Mäuler voll
Mit einer leuchtend lila Brühe
Und tanze nackt im Schnee wie toll,
Bevor ich mit dem Fahrrad fliehe.

Nach Mullastan, nein, lieber nicht.
Für mich ist das die falsche Strecke.
Da nehm ich lieber Vers, Gedicht
Als Wirt und werde eine Zecke.

Der Schlüssel

Sonntag, Februar 8th, 2015

Außer Atem vor der Pforte,
Rechter Hand ein neuer Besen,
Rot auf silber glühn die Worte.
Leider kann sie keiner lesen.

Dicke Leiber, dumme Leute,
Sichelmond auf Fleischquadrat,
Blutverschmiert krümmt sich das Heute
Auf dem Riss der Stundennaht.

Bleiche Wölfe, gelbe Maden,
Harte Wolken über mir.
Will in den Gedanken baden,
Reiten auf dem schwarzen Stier.

Der erste Schnee *

Sonntag, Januar 25th, 2015

Der Himmel öffnet seine Winterschleusen,
Mit dichten Flocken unter grauer See.
So fällt in diesem Jahr der erste Schnee.
Ein kalter Wind schickt Blätter noch auf Reisen.

Am Fensterbrett versammeln sich die Meisen
Um Nüsse, schnatternd, wie zum Fünf-Uhrtee.
Der Himmel öffnet seine Winterschleusen,
Mit dichten Flocken unter grauer See.

Gedanken fahren hoch, bis sie entgleisen.
Im dünnen Schuhwerk friert manch nackter Zeh.
Die Welt scheint weich und weiß wie ein Püree.
Das Jahr ist welk; mit uns, das wird sich weisen.
Der Himmel öffnet seine Winterschleusen,
Mit dichten Flocken unter grauer See.

*für Gerda

Wintersong

Sonntag, Januar 18th, 2015

Vom Dachrand grüßen höhnisch kichernd Krähen.
Ein feister Hund jault ärgerlich zurück.
Hausierer preisen das verlauste Glück,
Das sie, uns blendend, in die Taschen drehen.

Im Keller tanzen Ratten, blasen Flöten,
Und Rentner reiten taktlos übers Bett
Und kriechen ächzend weiter zum Klosett,
Indes im Beichtstuhl speien feucht Trompeten.

Am Abend schütteln Glocken braunen Schnee
Vom Himmel nieder auf die Heimatlosen,
Die frierend schwanken über die Chaussee.

Und später noch beginnt der Wind zu tosen,
Verfängt sich kreischend in den nackten Zweigen,
Zieht fort. Allein tönt dann das Schweigen.

PS: aus d. Vorzeit d. versfabrik.at

Winterkrähen

Sonntag, Januar 11th, 2015

Aus Rußlands Kälte fliehn sie Jahr für Jahr,
Um hier bei uns den Winter zu verbringen,
So wie es schon in alten Zeiten war,
Trotzdem wir sie als Gäste nie empfingen.

Wie Statuetten, ohne Regung kauern
Und schweigen sie gelassen in den Bäumen.
Und fliegen kreischend auf in meinen Träumen,
Und schwinden in den dichten Nebelmauern.

Im Morgengrauen sah ich sie spazieren,
Auf schneebedeckten Wiesen, lange Schnäbel
Durchdringen harten Frost wie Reitersäbel.
Und manchmal darf ich ihr Geheimnis spüren.

In dunklen Augen ruhen die Dekaden.
Sie schauten dem Jahrhundert ins Gesicht.
Wer trauert um den toten Kameraden?
Wer fühlt, daß ringsherum die Welt zerbricht?

Bald kommt der Tag, da sie in großen Scharen
Die lange Reise in die Heimat wagen.
Dann heißt es Abschied nehmen, bang die Fragen:
Was kommt zu uns wohl in den nächsten Jahren?

PS.: aus d. Vorzeit der versfabrik.at

Wintersonett

Samstag, Januar 3rd, 2015

Im Herz der Stunden wuchert still der Rost.
Es schlenkern der Platanen Silhouetten
Im Wind wie bleiche Schatten von Skeletten,
Und ächzen läßt die Türen scharfer Frost.

Am Futterhäuschen tummeln sich die Vögel
Und in der Stube träumen Katz und Hund
Beim warmen Ofen, weil durchs Fensterrund
Der Himmel sich herabsenkt wie ein Segel,

Das vollgebläht beinahe streift das Haupt
Des Alten, der durch dichte Flocken Schnee
Nach Hause eilt, der Hoffnung schon beraubt;

Als sänke er in einen tiefen See,
Verspürt er, wie sich alles um ihn dreht
Und immer schneller wird und dann vergeht.

Reise ans Ende des Jahres

Samstag, Dezember 20th, 2014

Das letzte Gold der Birken ist gefallen,
Fliegt nun verwelkt und braun gekrümmt im Wind.
Der Horizont schließt seine trüben Schnallen
Und nähert sich, aus Stundengläsern rinnt

Ein feiner Sand in meinen Mund und bläht
Den Augenblick, bis er zerplatzt. Ich treibe,
Ein Schatten unter vielen, ja, sehr spät
Ist es geworden, weiter. Keine Bleibe

Gewährt das Jahr, in dessen Fundament
Die Pfeiler brechen, einer nach dem andern.
Die Löwen brüllen, der Gedanke brennt
Ein Loch ins Holz der Tür, beginnt zu wandern

Von hier nach dort, den steilen Hang hinauf
Ins dichte Schneegestöber, wo kein Schranken
Den Schlitten bremst in seinem Abwärtslauf,
Indes Lianen sich um Sterne ranken.

Die Kerzen flackern, und die Glocken läuten.
Ein Säugling schreit, die Ochsen ringsum muhen,
Bis alle Träume tanzen, springen, reiten
Auf Tausendfüßlern in gewachsten Schuhen.

Am Himmel blühen farbenfroh Raketen,
Und erdwärts hockt der Lärm auf feuchtem Thron,
Vernebelt kurz den Zugang vor den Nöten.
Das Jahr versinkt. Ins Steuer greift sein Sohn.