Nachtmusik (TS)

Mai 24th, 2023

Dem Schläfer wird die Haut vom Leib gezogen,
Gegerbt, der Kopf geschrumpft, und dann hinweg
Mit Stulpen, Steigern, dem Orchesterdreck.
Die Nacht entblößt sich, spannt den Silberbogen.

Die Sehne singt. Der Pfeil durchbohrt das Ziel.
Ist’s die Hyäne nicht, ist’s ein Schakal.
Vom Gipfel schau ich Zwerge tief im Tal,
Mit blauen Kiemen, breitem Brustventil.

Am Himmel überholt der Große Wagen
Die Bleichgesichter in der ersten Reihe.
Ein Echo brandet gegen Schläfen. Schreie

Vergeßner Völker, die Melonen tragen,
Zum Nordpol. In den Venen klimpert Eis.
Die Pumpe läuft und läuft sich glühend heiß.

Leben in Lügen

Mai 7th, 2023

Unter schmutzigem Himmel, den Rücken gekrümmt,
So trotteln wir angstvoll durch unser Leben.
Nicht existente Viren haben gezeigt,
dass wir in Netzen voll Lügen kleben.

Was hat es zu bedeuten (S)

April 12th, 2023

Vom Himmel fallen weißbehaarte Kröten,
Im Keller hängt die Nachbarin am Strick,
Der Abend bringt das Dunkel ohne Glück,
Ein Schüler platzt beim Essen aus den Nähten.

Ein Fremder wirft durchs Fenster einen Blick,
Im Dachstuhl blasen Nackte Feuchttrompeten,
Verholzte Hände falten sich zum Beten,
Nur aus dem Grab kommt keiner mehr zurück.

Mit schweren Knüppeln klopfen Polizisten
Am Gehsteig weiße Köpfe rot zu Brei,
Mit Blaulicht rast die Ambulanz vorbei.

Die Bürger kaufen Fleisch in Kunststoffkisten,
Indes vom Kirchturm Glocken dauerläuten,
Und mancher fragt, was hat es zu bedeuten.

Erstfassung 2008

Blickfeld

März 24th, 2023

Ein Fluch, verdammt, ich habe keine Pläne
Für morgen, nicht für heute, irgendwie
Bewundere ich jene Kapitäne,
Die stets auf Kurs sind, auch bei Stürmen nie
Das große Klappern kriegen mit den Zähnen.

Ich bin nicht einer von den Kandidaten,
Die sich am Bildschirm für den Hauptgewinn
Mit Pudding schminken und mit einem Spaten
Im Keller schaufeln nach des Lebens Sinn
Und mit dem Teufel um die Wette raten.

Vorm Fenster rast ein Motorrad vorbei.
Sein Lärm läßt meine Nerven voll vibrieren.
Ein Bild besagt, die Hölle sei ein Schrei.
Ich glaube es, doch was muß noch passieren,
Daß Menschen nicht mehr sagen einerlei.

Ein Heldenstück für Gauner, ein Choral
Mit dem die toten Regimenter ziehen
Hinein ins blau und gelb lackierte Tal,
Wo rechts und links Gedanken geistlos sprühen.
Und vor dir ist die Landschaft nackt und kahl.

Gestern Heute

März 15th, 2023

Gestern war der Tag noch so wie immer.
Ich schritt voran und blieb dabei nicht stehn.
Und aufgeräumt war jedes meiner Zimmer,
Wo die Gedanken hausen stets bequem.
Mit Stilkrawatte und als Daseinsschwimmer
Hielt ich das Tempo, ohne viel zu sehn.

Heute kann ich mich nicht konzentrieren.
Die Ordnung, die ich schuf, zerfließt zu Brei.
Doch kümmert es mich nicht, sie zu verlieren,
Macht doch Verlust die Menschen manchmal frei.
Mein Herzschlag öffnet alle Fenster, Türen,
Und was ich sehe, sehe ich wie neu.

Mode

März 7th, 2023

Ich weiß, Demokratie
Ist längst schon nicht mehr in.
Nach Wohlstands-Diktatur
Steht allen uns der Sinn.
Wer ausschert aus der Spur,
Kriegt eine Vollrasur.

Das Gerücht (St)

Februar 26th, 2023

Sie kamen in der
Dämmerung über
Uns in großer Zahl
Und traten uns die
Nägel von den Zehen
Steckten uns Frösche
Ins Maul und lachten
So höhnisch so krass
Sahen sie aus wie Gift
Zwerge voll Pickel
Die Fratzen grüne
Wörter spritzen sie
In die seichte Luft wo
Sie zischend stecken
Bleiben ja heute
Ist irgend etwas
Böses im Fluss denn
Ich kann es riechen
Wie ranziges Obst
Heut hat es begonnen
Und aufhören wird es
Nimmermehr o Gott

Das geheime Zimmer *

Februar 19th, 2023

Komm, wir öffnen jetzt die Türen
Und betreten dann den Raum,
Wo Gedanken sich verlieren,
Leicht und luftig wie im Traum.

Nicht wie jene, die nur kleben,
Ob Revolte oder Pflicht,
Wollen wir am - nenn es Leben.
Schau doch bloß in ihr Gesicht,

Das im Lauf von ein paar Jahren
Häßlich wird, ein kranker Ort,
Den ein jeder will sich sparen
Und mit ihm zugleich das Wort.

Wörter, ach, wozu noch sprechen,
Wenn hernach nur Lügen sind?
Laß uns lieber mit dem Rechen
Einen Scheitel ziehn dem Wind.

* für Gerda

Vollendung *

Februar 12th, 2023

Sieh, die Sonne steigt im Osten,
Schminkt dem Tag jetzt das Gesicht.
Laß uns von der Stunde kosten,
Da im Tau die Welt sich bricht.
Wenn der Schlaf beginnt zu schwinden,
Und der Traum verschließt sein Tor,
Wollen wir uns neu erfinden,
So wie Funken, die zuvor
Noch nicht waren, plötzlich sprühen,
Reiben wir uns, Stein an Stein,
Werden Sterne, Galaxien,
Für Momente alles sein.

* für Gerda

Das Purpurtal * (St)

Februar 4th, 2023

Auf beiden Seiten
Stehn die Minuten
Spalier dazwischen
Ein Feuer einmal
Noch will ich deine
Lippen spüren auf
Meinem Hals wie ein
Gewitter plötzlich
Durch die Synapsen
Flutet einmal noch
Schweben dann fallen
Ins Purpurtal und
Schmelzen wie Licht am
Grund des Augenblicks
Bevor die Stunden
Wieder marschieren
Wie holzbeinige
Soldaten auf Sand

*für Gerda