Archive for November, 2009

Leben heißt…

Samstag, November 7th, 2009

Deine Sorgen, Mensch, die will dir keiner nehmen
Und dein Glück ist stets nur allzu kurz verliehn.
Leben heißt doch nur, daß andere dich zähmen,
Heißt, im Kreis herumzurennen, nicht zu fliehn.

Lyrik im Jahr 2009

Mittwoch, November 4th, 2009

Auch heuer erschienen, wie in all den Jahren zuvor, einige wenige Bücher mit “zeitgenössischer Lyrik”, nur um nach einer hervorragenden Rezession und einem Zwischenaufenthalt in einer Buchhandlung oder in einem Depot, dem Reißwolf überantwortet zu werden.

Wobei das gängige Argument der Rechtfertigung für das Produzieren dieser “Literatur im Koma” - komatös in dem Sinne, daß sie zwar geschrieben, aber von der Leserschaft allgemein abgelehnt wird, - meist dahingehend lautet: Am Markt für Gegenwartsliteratur bestünde kein Bedüfnis für heutige Lyrik, das Gedicht aber sei als wertvolles Kulturgut zu wahren und dürfe nicht den Gestzen des Marktes ausgeliefert werden.

Doch an einem anderen Ort feiert die Lyrik nach ihrer Wiedergeburt nun eine Renaissance sondersgleichen. Noch selten zuvor wurden so viele Gedichte geschrieben, publiziert, v.a. aber gelesen wie heute.

Und das unter den Bedingungen des Marktes und der direkten Konkurrenz, die dabei eher stimulierend denn hemmend wirkt, wie die letzten Jahre gezeigt haben.

Dieser Ort ist das Netz (das www), wo sich das immer wieder totgesagte “echte Gedicht”, - wahrscheinlich aufgrund seiner formalen Spezifika Kürze und Prägnanz - als bisher einzige literarische Gattung behaupten kann.

Auf unzähligen Gedichtseiten, v.a. aber in Lyrikforen, erfreut sich das Gedicht heute einer enormen Aufmerksamkeit und einer stetig wachsenden Leserschaft.

Doch nun zum Wesentlichen: Jene Textsorte, die seit den späten 60er Jahren als epigonale Endlosschleife in Büchern als Lyrik präsentiert wird, und das Gedicht, das sich im Netz größter Beliebtheit erfreut, haben außer dem Ordnungsbegriff “Lyrik” nichts gemein. Es sind formal zwei grundverschiedene Textsorten.

Aus der ideologischen Perspektive von Gestern hat das Gedicht wieder traditionelle Gestalt angenommen. Es ist nur mehr Gedicht, das sich als solches gegenüber seiner Konkurrenz behaupten muß - und zwar direkt vor dem Leser. Die für die Postmoderne so typische Rechtfertigungspoetik und der übrige außertextuelle Schnick-Schnack sind Schnee von Gestern. Rezensent und Kritiker als Bedeutungsgeber des Belanglosen sind überflüssig geworden.

Die Lyrik wurde wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Der Leser ist am Zug und sein Hunger nach Poesie scheint größer denn je zu sein.

Handwerkliches Können gilt heute wieder als Ausdruck lyrischer Kompetenz - wodurch auch direkte Vegleiche möglich sind.

Es ist dies wie gesagt die erste literarische Strömung, die nicht mehr mittels Bücher transportiert wird, sondern einzig im Netz stattfindet, womit sich das Gedicht als erste lit. Gattung vom Buchdruck vollständig emanzipiert hat. Das Gedicht bedarf des Buches nicht mehr. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie die Verleger von Büchern auf dieses Phänomen reagieren. Ob sie weiterhin ihre rückwärts gewandte Position beibehalten, oder sich doch noch ihrer Aufgabe entsinnen, zeitgenössische Literaturströmungen dem Leser auch über Bücher zugänglich zu machen.

Es ist keine Frage, daß die große Mehrheit der im Netz publizierten Gedichte laienhaft geschrieben bzw. Laienliteratur ist. Dies ist dem Umstand geschuldet, daß im Netz kein Filter und keine Zensur wirksam sind, was - im Nachhinein gesehen - einer als Verhinderer des “Neuen” wirkenden Lektorenschaft, die ideologisch noch immer auf das Gestern fixiert ist, allemal vorzuziehen ist.

Die Ankunft der Lyrik im Heute erfolgte im Netz und dort wird auch die Weiterfahrt stattfinden.

Riesen und Zwerge

Mittwoch, November 4th, 2009

Die Zwerge glaubten sich - zu Unrecht oder nicht - verspottet.
Da haben sie mit List die letzten Riesen ausgerottet.
Jetzt sind sie unter sich und fühlen selbst sich riesengroß
Und bleiben, was sie sind, ein Haufen Kleinhirn-Zwerge bloß.

Wenn…(Apokalypse)

Sonntag, November 1st, 2009

Genossen hilflos mit den Fäusten winken,
Handwerker Löcher in die Träume schlagen,
Hausmeister heimlich Hirnprothesen tragen,
Wenn Wörter madig aus den Mündern stinken,

Schulmädchen an zu großen Brüsten hängen,
Und Rentner raschelnd aus dem Fenster springen,
Postboten Säcke zum Ersticken bringen,
Talgwürmer sich aus engen Poren zwängen,

Die Nutzer Oden aufs Gefängnis dichten,
Auch kurze Wege in die Anstalt führen,
Wenn Bomben ohne Zünder detonieren,
Und Lügen Nachwuchs nach Belieben züchten,

Notärzte sich bei Nacht und Tag verspäten,
Uhrzeiger stotternd Pirouetten drehen,
Und Blinde neue Horizonte sehen,
Erschallen laut die himmlischen Trompeten.