Archive for the ‘02 Verse’ Category

Nach dem Erwachen *

Montag, Januar 17th, 2022

Eine graue Zunge
Schiebt sich durchs Fenster
Ich schaue hinaus
Auf die Bucht die Hütten
Am Strand ein Kutter
Nimmt Kurs auf das offene Meer
Die Sonne hebt die Lider
Ihr Blick rötet den Himmel
Die Dächer dein schlafendes
Gesicht manchmal ist es ein Wort
Nur gehaucht öffnet es
Pforte um Pforte
Manchmal steht eine Wand
Zwischen dir und mir
Die Schreie der Möwen
Spitzen dem Morgen
Die Zähne aus gestrigen Brunnen
Schöpfen die Stunden das Salz
Für den werdenden Tag

* für Gerda

Der Hosenbrunzer *

Samstag, Januar 8th, 2022

So mach dir doch nicht brühwarm in die Hosen,
Nur weil es nicht wie vorgesehen läuft.
Du hast dir doch die Backen frisch geseift,
Und deine Warzen duften wild wie Rosen.

Jetzt heißt es plötzlich, schlecht stehn die Prognosen,
Denn manchmal fault das Ding, bevor es reift.
So mach dir doch nicht brühwarm in die Hosen,
Nur weil es nicht wie vorgesehen läuft.

Vergiß nicht, daß die Angst erzeugt Psychosen.
Dann folgt Gehorchen, wenn wer nach dir pfeift.
Und wer dies Spiel der Macher nicht begreift,
Dem bleibt ein Leben in verkrampften Posen.
So mach dir doch nicht brühwarm in die Hosen,
Nur weil es nicht wie vorgesehen läuft.

* für Gerda

Die Dämmerung *

Sonntag, Dezember 12th, 2021

Am Morgen, wenn die Dämmerung als Schleier
Ringsum auf Stadt und Land und Himmel liegt,
Der Wind die Bäume wie Gespenster wiegt,
Die stummen Riesen zwischen Zwerggemäuer,

Bevor im Osten steigt ein rundes Feuer,
So hell, daß es die dunkle Nacht besiegt,
Am Morgen, wenn die Dämmerung als Schleier
Ringsum auf Stadt und Land und Himmel liegt.

Noch sind die Straßen leer, kein Ungeheuer
In Blech, das lärmend um die Ecke biegt,
Sodaß der stille Zauber rasch verfliegt,
Noch stehen Schlaf und Traum am großen Steuer,
Am Morgen, wenn die Dämmerung als Schleier
Ringsum auf Stadt und Land und Himmel liegt.

* für Gerda

Ein glückliches Jahr *

Donnerstag, November 18th, 2021

Sag, weißt du noch, wie wir am Donauufer
Die Steine tanzen ließen auf dem Fluss.
Und hörten wir den schrillen Halbmond-Rufer,
Dann gaben wir uns einen langen Kuss,
Der in uns ließ ein sanftes Lied erklingen.

Gern gingen wir am großen Strom spazieren,
Und machten Rast bei einem alten Baum,
In dessen Schatten manche Wege führen.
Dort träumten wir im Wachsein unsern Traum
Und flogen hoch mit breiten Adlerschwingen.

Im Winter saßen wir oft in Lokalen,
Und schauten den verklemmten Leuten zu,
Die ihre Rollen spielten wie in Schalen.
Wir aber waren anders, ich und du,
Als die, die lebenslang das Leben zwingen.

Auch heute noch, nach, ach, so vielen Jahren,
Lacht mir das Herz, denk ich an einst zurück.
Als wir zusammen wie ein Wesen waren,
Begriff ich damals schon, daß wahres Glück
Sich selbst genügt, allein von allen Dingen.

* für Gerda

Alptraum für Männer *

Sonntag, November 7th, 2021

Sie haben mir die Eier abgeschnitten,
Mit stumpfer Schere, die Verbrecher die,
Zur Nachtzeit. Sonnenbrillen trugen sie
Und kamen auf Kamelen angeritten.

Da half kein Jammern und es half kein Bitten,
Sie spreizten mir mit einem Stock die Knie´
Und haben mir die Eier abgeschnitten!
Mit stumpfer Schere, die Verbrecher die.

Als Zwerg saß ich im Traum auf einem Schlitten
Und sauste talwärts, schnell, und irgendwie
War plötzlich alles anders. Aber nie
Werd ich vergessen, was ich dann gelitten:
Sie haben mir die Eier abgeschnitten,
Mit stumpfer Schere, die Verbrecher die.

*für Gerda

Farben *

Montag, Oktober 25th, 2021

Eine Blüte, blau
Der Abend, deine Lippen
Auf meinen, Sterne

Leuchten heller, wenn
Es dunkelt, deine Augen
Tiefe Teiche sind,

In die ich sinke
Bis zum Grund, beim Morgenrot
Auf Reisen gehn

Ins Blättergrün, ins
Wurzelbraun, den Tag entlang,
Die Haare im Wind,

So rabenschwarz, so
Schwalbenleicht dahin im
Takt ins Wolkenweiß.

* für Gerda

Hülsenfrüchte *

Mittwoch, Oktober 13th, 2021

Am Morgen, wenn wir in den Spiegel blicken,
Und statt uns selbst nur Hülsenfrüchte sehen,
Darauf erschreckt den Kopf zur Seite drehen,
Wobei die Ohren schwelln vom Weckerläuten.

Minuten sind es, die uns niederdrücken,
Weil saure Winde die Gedärme blähen,
Am Morgen, wenn wir in den Spiegel blicken,
Und statt uns selbst nur Hülsenfrüchte sehen.

Wie soll der Tag, wie soll das Leben glücken,
Wenn wir den Sinn der Hülsen nicht verstehen,
Und die Gedanken sind voll großer Krähen,
Die aus uns Hülsen rasch die Früchte picken,
Am Morgen, wenn wir in den Spiegel blicken,
Und statt uns selbst nur Hülsenfrüchte sehen.

* für Gerda

Umkehren *

Freitag, Oktober 1st, 2021

Du folgst nicht länger mehr den Karawanen,
Hast Halt gemacht an dieser Station,
Kehrst nun zurück, wirst wieder Skorpion,
Von Hunden wild bekläfft und Blödianen.

Auf hohen Stangen knistern gelbe Fahnen,
Und Menschenmassen stürzen vom Balkon.
Du folgst nicht länger mehr den Karawanen,
Hast Halt gemacht an dieser Station.

Hast Halt gemacht am Lager der Schamanen,
Um zu erfahren deren Vision.
Im weiten Bogen fliegt dein Telefon
Und landet zwischen fauligen Bananen.
Du folgst nicht länger mehr den Karawanen.

*für Gerda

Der ganze Scheißdreck

Freitag, September 24th, 2021

Der ganze Scheißdreck, der uns attackiert,
Von allen Seiten, voll totalitär
Uns die Gedanken züchtigt mehr und mehr,
Der freie Markt, der uns als Sklaven führt,

Das Müllgebirge, das die Welt möbliert,
Die Medien, obszön und populär
Der ganze Scheißdreck, der uns attackiert,
Von allen Seiten, voll totalitär,

Das Kapital, das kotend kopuliert,
Der Atem, der bestrichen wird mit Teer,
Der Alltag, der das Gehen macht so schwer,
Die Zukunft, die schon heute explodiert,
Der ganze Scheißdreck, der uns attackiert,
Von allen Seiten, voll totalitär.

*für Gerda

Zwischen Tag und Nacht *

Dienstag, September 14th, 2021

In grauen Stiefeln steigt der Morgen nieder,
Ins Schlafgesicht mit schrillem Weckerläuten.
Sind die Minuten aufgezäumt zum Reiten?
Schnell rein ins stinkend enge Alltagsmieder.

Im Traumgebüsch blüht rot und schwarz der Flieder,
Indes Matrosen Kapitäne häuten.
In grauen Stiefeln steigt der Morgen nieder,
Ins Schlafgesicht mit schrillem Weckerläuten.

Laternen tätowiern das Nachtgefieder.
In ihren Löchern lauern Therapeuten.
Zum Abgrund türmen sich die neuen Zeiten.
Im Kühlregal ruhn amputierte Glieder.
In grauen Stiefeln steigt der Morgen nieder,
Ins Schlafgesicht mit schrillem Weckerläuten.

*für Gerda