Eine “zeitgemäße” Neuübersetzung
Im rosaroten Intelligenzblatt schreibt ein altgedienter Rezensent, daß W. Faulkners “Licht im August” endlich in einer zeitgemäßen Neuübersetzung auf den Markt geworfen wird, wobei zeitgemäß für die Übersetzung eines 70 Jahre alten Werks nur eines bedeuten kann, daß das Werk der heutigen Zeit angepaßt , daß es verfälscht worden ist. Und schon sind wir bei einem der Grundübel der gegenwärtigen dt. Verlagsszene angelangt, einem Übel, das vom Rezensentenpack im Feuilleton voll mitgetragen wird - die da wie dort so beliebten Neuübersetzungen. Im Gegensatz zu ihnen wird Originalliteratur von ihren Verfassern in der Regel ein einziges Mal publiziert und nicht in bestimmten Zeitabschnitten durch Neufassungen ersetzt, was auch nicht notwendig ist, denn das Wesen guter Literatur offenbart sich u.a. darin, daß sie auch von späteren Generationen immer wieder neu entdeckt werden kann, zeitgemäße Neuadaptierungen sind dabei undenkbar, sind ein Widerspruch zur Originalität eines Werks.
Der Drang, ständig die bekannteren Werke der Weltliteratur neu übersetzen zu lassen, ist ein beliebtes Marketinginstrument dt. Verlage, wodurch dem Leser suggeriert werden soll, das Werk sei neu, ein plumper Psychotrick; neu ist einzig die Übersetzung, und falls sie auch noch “zeitgemäß” ist, dann ist allerhöchste Vorsicht geboten, intendiert der Begriff “zeitgemäß” doch den Umstand, daß das Werk der heutigen Zeit angepaßt wurde, was nichts anderes als eine Verfälschung des Originals bedeutet, wenn auch nur in der Übersetzung, was für sich schlimm genug ist.
Anstatt bekannte Werke der nichtdeutschen Literatur immer wieder neu übersetzen zu lassen, sollten die Verleger dafür Sorge tragen, daß “ihre” Übersetzer zumidest minimale Qualitätsstandards einhalten, denn da liegt das tatsächliche Problem des Übersetzens, daß nämlich über 90% aller Erst-u. Neuübersetzungen gelinde gesagt mangelhaft bis völlig mißraten sind, doch das kümmert die immer kommerzieller agierenden dt. Verlage einen feuchten Hugo. Total peinlich wird es, wenn Verlage gelungene Erstübersetzungen durch mißratene Neubearbeitungen ersetzen, was immer häufiger vorkommt.
Das Übersetzen von Literatur ist ebenfalls eine literarische Tätigkeit, was die meisten Verleger schlicht ignorieren.