Die Moritat vom Würger Jack
Die Welt ist schmutzig, grau und roh,
Ein Markt der Metzger, voll mit Würsten.
Da werden nur die Starken froh.
Die andern aber müssen dürsten.
Die Sonne brennt der Haut ein Loch.
Ein Knabe hockt in seinem Schatten,
Er pfeift das Lied “Gesprengtes Joch”
Und quält, was kommt. Jetzt sind es Ratten.
Kaum achtzehn wechselt er die Opfer,
Erwürgt ein Mädchen ohne Scheu.
Wo blieb denn Mutters Teppichklopfer?
Der brach zu schnell, war nicht mehr neu.
Er wird gefaßt, er wird zur Nummer
Für Richter und für Staatsanwälte,
In einem Reich, wo Seelenkummer
Verkümmert schnell zur Allzeit-Kälte.
Die Herrn in schwarzen Straftalaren
Verschaffen ihm die Pension.
Jetzt darf er hinter Gittern fahren,
Von Wand zu Wand , was macht das schon?
Am Donaufelsen lebenslang,
Wo Mann muß Mann beweiben,
Versteht er bald der Räder Gang:
Zur Freiheit hilft nur Schreiben.
Und Gott besucht ihn in der Nacht
Und spricht: Mein Sohn, du bist erwählt,
Denn dem nur leih ich größte Macht,
Der statt sich selbst die andern quält.
Die Jahre welken und er schreibt,
Schreibt Worte, Sätze, viele Seiten,
Was mann so im Gefängnis treibt,
Wie Häfenbrüder hardcore reiten.
Ein zweites Mal besucht ihn Gott:
Mein Sohn, du hast mich sehr erfreut.
Bald ist vorbei der Felsentrott.
Bald kommt für dich die rechte Zeit.
In Zukunft sei dein Name Jack,
Und deine Pflicht als guter Bürger
Heißt Saubermachen in dem Dreck
Der Weiberlust. Sei Gottes Würger.
Schau auf die Straßen, wo der Schmutz
Herumstolziert auf nackten Beinen.
Bring all den braven Leuten Schutz
Und laß die zuchtlos Weiber greinen.
Spricht Rauschebart und rauscht gleich ab.
Im Spiegel sieht nun Jack den Dichter.
Er schreibt mit Senf und nicht zu knapp.
Der Mensch hat zwei und mehr Gesichter.
Da kramen all die Ehrenwerten
Von hinten Menschlichkeit hervor,
Beweisen, daß sie nicht nur Härten
Verwahren im verschmalzten Ohr.
Nach fünfzehn Jahren in der Zelle
Steigt er zu Trommeln und Trompeten
Als freier Bürger in die Helle,
Sein Werk zu tun, für Gott zu töten.
Nun Freunde folgt der schaurig Teil:
Die Seele ist der tiefste Sumpf.
Ein Würger braucht nicht Draht noch Seil,
Ihm reicht ein feuchter Nylonstrumpf.
Poetisch reist er durch das Land,
Sein Antrieb kommt so recht auf Touren.
Ein jeder schüttelt ihm die Hand,
Und dort und da verschwinden Huren.
Die ganze Welt ein Pissoir.
Und keine Zeit, sie zu verschwenden.
Ob blond, ob braun, ob schwarz das Haar,
Er wird sein großes Werk vollenden.
Wenn´s Nacht wird und der Jack geht um,
Dann, Mädchen, müßt ihr euch verstecken.
Was Jack ergreift, das macht er stumm
Und schmeißt es hinter grüne Hecken.
Ein Jahr zerrinnt, Jack unterwegs,
Da schickt der bleiche Mond ein Zeichen
Dem alten Jäger; der erspäht´s.
Im Wald entdeckt er Leich um Leichen.
Kein Jammern hilft mehr und kein Fliehen.
In USA wird er erwischt
Und heimverfrachtet ohne Mühen
Und einem Richter aufgetischt.
Von Gott und aller Welt verraten
Zieht er mit einer Schnur den Strich,
Er hängt sich auf. Von seinen Taten
Die einzig gute, sicherlich.
Und die Moral von der Geschicht?
Die war schon eingangs nachzulesen.
Der Täter glänzt im Rampenlicht,
Indes die Opfer still verwesen.
Denn frisches Fleisch will diese Welt,
Der Markt der Metzger, der famose.
Wer da nicht treten will, der fällt
Und fällt hinab ins Bodenlose.
PS: Aus der Vorzeit der versfabrik, 90er Jahre