Poetenballade*

In seinem Arbeitszimmer sitzt der Dichter
Und denkt und schreibt: Des Dackels harter Kern…
Durchs Fenster gaukeln zarte Lichter.
Der Dichter denkt. Ihm bleibt solch Leuchten fern.

Er formuliert. Er grübelt. Und er dichtet.
Doch nicht den Hahn, der in der Küche tropft.
Es ist sein Ego, das er scharf belichtet,
Als wer von draußen an die Türe klopft.

Ja, das erzürnt zurecht den guten Mann,
Denn echte Kunst zu fabrizieren,
Ist etwas, das nicht jeder kann!
Das muß mensch akzeptieren.

Geübt zieht er die Brille von der Nase,
Stemmt seine Kilos hoch, treibt sie in Gang,
Stößt mit den Füßen gegen eine Vase,
Da kommt vom Munde Schmerzgesang.

Er öffnet, doch kein Leibeswesen
Läßt sich im trüben Flur erspähn.
Ist Meister Unser auch belesen,
Das kann und will er nicht verstehn.

Die Zähne knirschen bis die Ohren knittern,
Und Rauch steigt aus den zerebralen Zellen.
Jetzt darf er kreativ erzittern.
Jetzt muß der “apple”, der geliebte, quellen.

Er orgelt voll Elan die Tasten,
Mit Füßen, Händen , Kopf und so,
Wie ein Berserker, ohne Rasten,
Doch seine Blase schreit: Ins Klo.

Ein jeder hat so seinen Ort,
Wo ihn frontal die Musen küssen.
Der Dichter findet dann sein Wort
Und war gottlob auch pissen.

Er wirft von Bord das Verse-Fügen.
In einem Anfall von Genie
Beginnt er Zeilen umzubiegen.
Er sprengt die Form. Er schreibt nun free.

Doch leider schreibt seit 40 Jahren
Ein jeder so: Gestaltlos frei.
Den Lesern, diesen Kunstbarbaren
Wird übel bei solch Wörterbrei.

Nur Kritikern und Germanisten
Entströmt noch Lob aus spitzem Mund,
Doch auch der Stumpfsinn wirkt in Fristen,
Die Grenzen haben, und mit Grund.

Wie Wolken ziehn die Jahre weiter.
Der Dichter wird zum Greis, senil, ein Kind.
Da endlich nahn des Himmels Reiter.
Des Dichters Sein entfleucht im Wind.

Kein Baum tränt ab, als sie die Leich entsorgen.
Drei Jünger jaulen und ein Pfarrer spricht.
Und manchmal früh im fahlen Morgen
Blüht vor dem Grabstein ein Gedicht.

* aus d. Vorzeit d. versfabrik

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